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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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völlig kopflos mit blanker Klinge den Palast erstürmen und sie von hier fortschaffen. Polly und ich waren der Auffassung, dies sei keine kluge Idee und seine Sorge obendrein abwegig. Darüber kam es zu Handgreiflichkeiten.«
    »Ich verstehe«, sagte die Königin ernst. Sie sah zu Nick. »Euer Cousin hatte recht, mein lieber Freund. Mary selbst war es, die sich krank gemacht hat. Sie hat auf ihren langen Spaziergängen den ganzen Sommer über Tollkraut und Fingerhut und einige andere Pflanzen gesammelt. Heimlich, obwohl sie doch immer bewacht wird. Damit hat sie sich vergiftet. Wohldosiert, aber doch schlimm genug, um den König zu bewegen, mich zu ihr zu lassen, nachdem sein Leibarzt seine Ratlosigkeit eingestehen musste.«
    Plötzlich hatte Nick weiche Knie. »Oh, Mary …«, murmelte er erschüttert. »Das hat sie getan, weil ich ihr so zugesetzt und sie gedrängt habe, ohne Euch auf den Kontinent zu fliehen. Was bin ich nur für ein Unglücksrabe …« Unsanft schlug er sich mit den Fingerknöcheln vor die Stirn. »Ich hätte nie gedacht, dass sie so etwas tun würde. Und ich war in solcher Sorge um ihre Sicherheit.«
    Catalinas Miene blieb ernst, aber ihre Reserviertheit verschwand. »Setzt Euch, meine Freunde. Und du auch, mein Kind.« Sie nickte Polly zu, und für einen Moment hellte der Anflug eines Lächelns ihre Züge auf. »Was für ein hübsches Töchterchen du hast.«
    Polly senkte schüchtern den Blick, und weil sie nicht wusste, was sich gehörte, missachtete sie die Einladung der Königin. Statt sich auf die Bettkante zu hocken und den Mund zu halten, sagte sie: »Ich muss Euch bitten, mich gehen zu lassen … Majestät. Wenn ich zu spät zur Arbeit komme, wird man mir Fragen stellen.«
    »Dann geh.« Catalina vollführte eine elegante Geste. »Ich will nicht, dass du Aufmerksamkeit auf dich lenkst und dich in noch größere Gefahr bringst. Gott segne dich für das, was du für meine Tochter tust. Ich danke dir für deine Treue und bete, dass Mary oder ich eines Tages in der Lage sein werden, uns erkenntlich zu zeigen.«
    Polly trat noch einen Schritt näher, sank plötzlich vor der Königin auf die Knie, nahm den Saum ihres Kleides in die Linke und drückte ihn kurz an die Lippen. »Was hat der König sich nur dabei gedacht, Euch das anzutun?«, flüsterte sie.
    Catalina legte ihr kurz die Hand auf den Kopf und antwortete nicht.
    Polly kam mühelos auf die Füße, obwohl sie immer noch das Kind im Arm hielt, tauschte einen Blick mit Nick und ging hinaus.
    Die Königin wartete, bis ihre Schritte verklungen waren, ehe sie sagte: »Macht Euch keine Vorwürfe, Mylord. Mary hat sich nicht in solche Gefahr gebracht, weil Ihr sie bedrängt habt, sondern weil sie den König zwingen wollte, mich zu ihr zu lassen. Ich kann nicht sagen, dass ich ihre Methoden billige. Sie hätte sich ohne Weiteres umbringen können, und dann wäre ihre Seele auf immerdar verloren gewesen. Aber ihr Mut imponiert mir. Und ihre Stärke. Sie hat es geschafft, dem König ihren Willen aufzuzwingen. Das ist etwas, das mir nie gelungen ist.«
    Nick wollte schlucken, aber seine Kehle war völlig ausgedörrt. »Seid Ihr sicher, dass sie wieder gesund wird, Madam?«
    »Mein Leibarzt ist sehr zuversichtlich. Jetzt, da sie ihrem Körper kein Gift mehr zuführt, wird sie rasch genesen, sagt er. Das heißt, mein Aufenthalt hier wird nur von kurzer Dauer sein, Mylord. Womöglich wird der König bereits morgen befehlen, mich zurück nach Buckden zu geleiten.«
    »Buckden?«, wiederholte Nick verständnislos.
    »Ein lange unbewohntes Haus des Bischofs von Lincoln in Huntingdonshire«, erklärte sie mit unbewegter Miene.
    Eine zugige Bruchbude mitten im Nirgendwo, übersetzte Nick im Stillen.
    »Dort residiere ich derzeit auf Wunsch des Königs. Oder seiner … Gefährtin, ich bin nicht sicher. Also, Gentlemen: Ich muss bald wieder fort und Marys Wohl erneut in Eure Hände legen.« Sie sah von einem Cousin zum anderen.
    »Was wünscht Ihr, das wir tun, Majestät?«, fragte Madog nüchtern.
    »Waringhams Fluchtpläne waren durchaus nicht falsch«, antwortete sie, und Nick verspürte den kindischen Impuls, Madog ein ›Da hast du’s‹ zuzuraunen. »Je weiter ich aus dem Blick und dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwinde, desto mehr wird Mary zur Symbolfigur der religiösen und politischen Opposition«, fuhr Catalina fort. »Ich glaube wie Ihr, Mylord, dass Cromwell und Mistress Boleyn früher oder später beschließen werden, dass es

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