Der dunkle Thron
beglückt sein, wenn Ihr seine Anweisungen missachtet.« Er zeigte auf das kaiserliche Schreiben, das Chapuys in der Linken hielt.
Der blickte kurz darauf hinab, sah Nick dann mit undurchschaubarer Miene wieder an und bemerkte: »Es wäre nicht das erste kaiserliche Schreiben, das auf dem Weg verloren gegangen ist.«
Nick lachte leise, trat auf den schmächtigen Gesandten zu und schloss ihn impulsiv in die Arme. »Ich habe doch geahnt, dass Ihr ein anständiger Kerl seid. Wann?«
»In einer Woche. So lange brauche ich, um ein Schiff zu organisieren. Sagen wir, Sonnabend nächster Woche? Eine Stunde nach Mitternacht in Gravesend?«
»Abgemacht.« Nick wusste, bis dahin konnte noch viel geschehen, und er wusste ebenso, dass ihr Plan gefährlich war. Trotzdem fühlte er sich erlöst. »Gott segne Euch, Chapuys.«
Der hob warnend die Rechte. »Gott möge unser Unterfangen segnen und eine schützende Hand über uns alle halten.«
»Was grinst du vor dich hin wie ein Trottel?«, schnauzte Sir Jeremy ihn an, als Nick mit einem der beiden Andalusier am Halfter in das langgezogene, dämmrige Stallgebäude zurückkam. »Wo hast du gesteckt, du Lump?«
Nick hörte schleunigst auf zu grinsen und wies auf das Pferd, das er als Alibi mit zu seinem geheimen Treffen genommen hatte. »Ich hab ihn von der Weide geholt, wie Ihr gesagt habt, Sir.«
»Und dafür brauchst du eine Stunde?«
Nick hob die Schultern. Entschuldigend und demutsvoll, wie er hoffte. »Er wollte sich ums Verrecken nicht einfangen lassen. Ihr wisst doch, wie diese spanischen Gäule sein können, Sir. Dickköpfig. Wie spanische Königinnen.«
Madog, Mickey und sogar Carl, die alle in der Nähe standen, lachten, aber Jeremy Andrews fand die Bemerkung offenbar respektlos und ließ die Gerte niederfahren. Der andalusische Hengst zuckte zusammen und wich schlitternd nach hinten.
»Untersteh dich, du Flegel«, knurrte der Stallmeister.
Nick hatte bis heute nicht geahnt, dass Sir Jeremy eine Schwäche für Königin Catalina hegte. Er begann zu überlegen, ob es eine Möglichkeit gab, aus diesem Umstand einen Nutzen für Prinzessin Mary zu ziehen, ehe ihm wieder einfiel, dass Marys Gefangenschaft hier mit Gottes Hilfe bald ein Ende haben würde. »Tut mir leid, Sir«, murmelte er.
»Du kannst deine versäumte Arbeit nachholen, wenn die anderen beim Essen sind«, beschied Sir Jeremy.
»Ja, Sir.«
Während der Stallmeister seine üble Laune nach draußen trug, tauschte Nick einen Blick mit Madog. Der nickte ihm zu: Er würde irgendetwas aus der Gesindeküche für Nick mitgehen lassen, und sie würden sich nach Einbruch der Dunkelheit unter Vater Davids Birnbäumen treffen, um zu reden.
Als die Uhr der Palastkapelle sechs schlug und die übrigen Stallknechte Feierabend machten, hatte Nick erst zwei seiner sechs Schützlinge ausgemistet und gefüttert.
»Soll ich mit anpacken?«, erbot sich Carl.
Nick drehte sich verwundert um, die Mistgabel in Händen. »Ist dir nicht gut, Mann? Hast du vielleicht Fieber?« Seit Madogs Ankunft hielten Nick und Carl einen Waffenstillstand, aber das war alles.
Eingeschnappt zuckte Carl die Schultern und wandte sich wortlos zum Tor. Mickey stand schon draußen im Sonnenschein und wartete auf ihn.
»Großartig, Tamkin«, murmelte Madog im Vorbeischlendern. »Beiß nur in die Hand, die dir gereicht wird. Das ist der beste Weg, um sich Freunde zu machen.«
»Ich brauche hier keine Freunde mehr«, raunte Nick ihm ebenso verstohlen zu.
»Man braucht immer und überall Freunde.«
»Ja, ja. Erspar mir deine Weisheiten. Verschwinde schon. Und bring Polly mit, wenn du nachher kommst.«
Madog betrachtete ihn einen Moment mit verengten Augen. »Also dann, Tamkin. Bis später.« Pfeifend ging er hinaus.
»Das Schwierigste wird sein, die Wachen der Prinzessin unschädlich zu machen, und das kann sie nur selbst tun«, erklärte Nick mit leiser Stimme und biss von dem Brot ab, das Polly ihm wortlos gereicht hatte.
Zu dritt saßen sie im hohen Gras unter den Birnbäumen, und Sommernachtsdüfte hüllten sie ein. Ganz in der Nähe zirpte eine Grille.
»Wie soll sie das anstellen?«, fragte Madog.
Nick zog ein kleines, in Leinen gewickeltes Päckchen aus seiner Tasche und reichte es Polly. »Hier, steck ihr das zu. Sag ihr, ich warte übermorgen früh vor der Arbeit in der Kapelle auf sie und werde alles noch einmal genau mit ihr durchgehen. Aber sie weiß schon Bescheid über dieses Zeug. Es war ihre Idee, um genau zu sein. Es ist
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