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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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solch bescheidenen Ansprüchen muss man heute froh und dankbar sein, wenn man sie nicht mit dem Leben bezahlt.«
    Ungebeten hatte Nick plötzlich das Bild der niederfahrenden Axt vor Augen, sah den bleifarbenen Himmel darin gespiegelt und hörte das widerwärtige Knirschen. Fröstelnd zog er die Schultern hoch und murmelte: »Du hast recht. Es sind schlimme Zeiten.«

Eltham, August 1535
    »Gut von Euch, dass Ihr es so kurzfristig einrichten konntet, Mylord«, sagte Chapuys. Er hörte sich an, als hätte er Nick zu einer Unterredung in seine Londoner Residenz bestellt, nicht zu einem Verschwörertreffen im Wald von Eltham.
    »Ich hoffe, es ist wichtig«, gab Nick verdrossen zurück. »Wenn Jeremy Andrews merkt, dass ich mich am helllichten Tag davongemacht habe, wird er kein bisschen entzückt sein. Und es ist nie ratsam für mich, aufzufallen.«
    »Ich weiß das, Waringham«, versicherte der kaiserliche Gesandte. »Aber es ist wichtig. Hier, lest das.«
    Er reichte ihm einen eselsohrigen Papierbogen, der in solcher Eile vollgekritzelt worden war, dass hier und da Tintenflecken die Buchstaben unkenntlich machten. Nick lehnte sich an die verwitterte Holzhütte, wo der königliche Förster von Eltham das Winterfutter für das Wild einlagerte, und las murmelnd: »Karl, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, an Unseren geschätzten Gesandten in England, Eustache Chapuys, Grüße.« Nick schaute auf und zog eine Braue in die Höhe. » Das hier ist ein kaiserliches Schreiben? Hingeschmiert und ohne Siegel? Und er schreibt auf Englisch?«
    »Es ist eine Abschrift«, antwortete Chapuys ungeduldig. »Das Original war verschlüsselt.«
    »Es war was?«
    »Chiffriert.«
    Nick schüttelte verständnislos den Kopf.
    »Ich erklär’s Euch ein andermal«, stellte der Gesandte in Aussicht. »Jetzt lest.«
    »Wir können Euch nicht verhehlen, dass Wir eine Flucht Unserer Cousine Mary zum jetzigen Zeitpunkt für wenig ratsam halten. Wir sind selbstverständlich gewillt, alles in Unserer Macht Stehende zu tun, um ihr und Unserer lieben Tante Catalina zu helfen, doch die Gefahr, in die die Prinzessin sich mit einem solchen Schritt begäbe, wäre weitaus größer als die, in der sie sich jetzt zu befinden glaubt. Auch fürchten Wir, die Tatsache, dass ihr königlicher Vater sie immer häufiger in einem Palast nahe der Themse unterbringen lässt, könnte darauf hindeuten, dass er ihr eine Falle stellen und sie zur Flucht verleiten will. Darum bitten Wir Euch inständig, Ihr zur Geduld zu raten, der schönsten Tugend einer christlichen Frau.« Nick blickte auf. »Das ist … wirklich fabelhaft. Vor allem der Schluss.«
    »Er meint es nur gut mit ihr.«
    »Aber er will ihr nicht helfen.«
    »Das würde ich so nicht sagen …«
    »Oh, erspart mir Euer Diplomatengeschwätz«, unterbrach Nick. »Er will ihr nicht helfen.«
    »Er befindet sich in Afrika und kämpft dort gegen die Türken«, erinnerte Chapuys ihn. »Ein Konflikt mit König Henry ist wirklich das Letzte, was er derzeit gebrauchen kann.«
    »Er lässt sie im Stich«, beharrte Nick. »Er mag der mächtigste Mann der Welt sein, aber er ist ein Feigling, Chapuys. Hier.« Er griff in die eingenähte Tasche an der Innenseite seines formlosen Obergewands. »Lest das. Das ist Mut.«
    Ohne zu antworten, nahm Chapuys Marys Brief an ihren kaiserlichen Cousin in die Hand. »Majestät, so groß ist mein Wunsch, auf den Kontinent zu entkommen, dass ich bereit wäre, die See in einem Sieb zu überqueren«, hatte sie geschrieben. »Ein Fluchtplan ist ausgearbeitet und kann umgehend durchgeführt werden. Aber erlaubt mir, noch dies zu sagen: Meine Flucht aus meinem Heimatland ist nicht die Lösung, die ich mir wünsche. Ich glaube auch nicht, dass es die Lösung ist, die Gott von uns erwartet. Dieses Land ist den Ketzern und Gottlosen anheimgefallen. Ich weiß, dass Ihr derzeit gegen die Heiden in Afrika kämpft, aber wenn Ihr den Heiligen Krieg nach England tragen würdet, wäre dies eine Tat, die das Wohlgefallen unseres allmächtigen Gottes finden, die der Christenheit den Frieden zurückbringen würde, meinem armen, irregeleiteten Vater die Ehre und vielen armen Seelen in diesem Land Erlösung …«
    Chapuys ließ den Pergamentbogen sinken und schaute auf. Er war bleich geworden. »Das ist Hochverrat.«
    »Ich weiß.« Nick lehnte sich wieder an die Wand und kreuzte die Knöchel, um vorzutäuschen, dieser Brief habe ihn nicht erschreckt.
    Chapuys trat einen Schritt

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