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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Hände und führte die Rechte kurz an die Lippen.
    Unterdessen hatte der durchtränkte Galan sich im knietiefen Wasser aufgerichtet, rückte den tröpfelnden roten Hut zurecht und stieg lachend aus dem Brunnen. »Sonderbare Anstandsdamen habt ihr hier in England«, bemerkte er vergnügt und drosch Nick auf die Schulter – anscheinend kein bisschen beleidigt über das unfreiwillige Bad.
    »Lasst mich Euch miteinander bekannt machen, Gentlemen«, erbot Mary sich, wenngleich ihre strenge Miene verriet, dass die Höflichkeit sie Mühe kostete. »Lord Waringham: Dies ist Philipp, Pfalzgraf bei Rhein. Lieber Graf: der Earl of Waringham.«
    Nick reichte dem Grafen die Hand. »Eine Ehre, Euer Gnaden.«
    Er hatte schon allerhand von diesem Philipp gehört. »Der Streitbare« wurde er genannt, und das zu Recht. Vor elf Jahren hatte Philipp mehr oder minder eigenhändig die Türken von den Toren Wiens verjagt.
    Der Pfalzgraf – und der Teufel mochte wissen, was genau das war, Nick jedenfalls wusste es nicht – schlug enthusiastisch ein. »Meinerseits, Mylord.« Der breite, beinah üppige Mund schmunzelte, und Lachfalten milderten die strengen Züge dieses nicht mehr jungen Gesichts. Aber Nick ließ sich nichts vormachen. Der Blick der hellbraunen Augen war scharf und spöttisch. Eine Warnung. Philipp Pfalzgraf bei Rhein ist kein Mann, den man ein zweites Mal ungestraft in einen Brunnen wirft, sagte dieser Blick.
    Na schön, dachte Nick flüchtig und nickte ihm zu. Er wusste es zu schätzen, vorgewarnt zu werden.
    »Lady Mary und ich waren gerade im Begriff, einen Spaziergang zu machen«, erklärte Philipp scheinbar beiläufig.
    »Das klingt großartig. Erlaubt, dass ich Euch Gesellschaft leiste.«
    »Aber unbedingt«, erwiderte der Pfalzgraf und fügte hinzu: »Seid so gut und entschuldigt mich einen Moment, ich würde gern trockene Kleider anlegen.«
    »Gewiss, lieber Graf«, sagte Mary und setzte sich auf die steinerne Bank am Brunnen. Dort verharrte sie, bis Philipp durch die Eibenhecke verschwunden war, dann sprang sie auf. »Schnell. Nichts wie weg hier, eh er zurückkommt …«
    Nick warf ihr einen prüfenden Blick zu und nickte. »Wie Ihr wünscht, Madam.« Er reichte ihr den Arm.
    Mary hakte sich bei ihm ein und sagte zu der jungen Hofdame: »Ihr wart mir eine wirklich große Hilfe, Lady Claire.«
    Das Mädchen senkte beschämt den Blick. »Vergebt mir, Madam. Es passierte so schnell … und er war so … Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er … macht mir Angst.«
    »Warum?«, gab Mary verwundert zurück. »Er ist nur groß und laut, nichts sonst. In etwa so wie Lord Sidneys Hund.«
    »Vor dem hab ich auch Angst, Lady Mary«, gestand die arme Claire so leise, dass man die Ohren spitzen musste, um es zu hören.
    Mary bedachte sie mit einem verächtlichen Blick. »Ich hoffe, Ihr habt keine Angst vor einem strammen Marsch durch die Wälder? Nein? Dann lasst uns gehen. Aber seid so gut und haltet zwanzig Schritte Abstand, ich habe mit Lord Waringham zu reden.«
    Nick kam nicht zum ersten Mal in den Sinn, dass sie genauso scharfzüngig sein konnte wie ihr Vater.
    Den Tränen nahe knickste die gemaßregelte junge Hofdame und wartete, bis Mary und Nick ein Stück vorausgegangen waren, ehe sie folgte.
    »Wie ich meine Lady Margaret vermisse«, sagte Mary und seufzte.
    »Das glaube ich gern. Vor ihr wäre wohl selbst der streitbare Philipp in Ehrfurcht erstarrt.«
    Aber Lady Margaret Pole, die Countess of Salisbury, die Mary durch ihre gesamte Kindheit begleitet und auch in den schweren Jahren unerschütterlich zu ihr gestanden hatte, war seit einem halben Jahr im Tower. Ihr Sohn Reginald – den der Papst zum Kardinal ernannt hatte, obwohl er nicht einmal Priester war, nur um den König von England zu ärgern – hatte aus dem Exil eine bitterböse Streitschrift verfasst und in England verbreiten lassen, die den König für seine Loslösung von der Kirche geißelte. Henry, der mit den Jahren immer argwöhnischer geworden war und hinter jedem geflüsterten Wort ein Komplott witterte, hatte sich von Cromwell überzeugen lassen, die Poles planten eine Revolte, um ihn – den König – durch einen aus ihren Reihen zu ersetzen. Cromwell erinnerte Henry daran, dass Lady Margaret und ihre Söhne und Enkel die letzten Nachkommen des Hauses York seien, und beschwor die Schrecken der furchtbaren Rosenkriege herauf. Und so hatte Henry alle Poles verhaften und Reginalds ältesten Bruder hinrichten, den jüngeren foltern

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