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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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dass der König sie in der Hochzeitsnacht nicht aufgesucht hat. ›Gott sei gepriesen, dass dieser Kelch an mir vorübergegangen ist‹, hat sie gesagt. Lady Latimer hat es gehört und Laura erzählt.«
    Der Hausherr nickte dem Diener zu, der an der Tür zur Halle stand. »Es ist gut, Will.« Und nachdem der junge Mann verschwunden war, tadelte Nathaniel seinen Neffen: »Für einen Durham hast du ein wirklich loses Mundwerk. Du musst dich mehr vorsehen, wer dich hört, Philipp. Man weiß heutzutage nie, wer wen für Cromwell bespitzelt. Ich würde jedenfalls nicht für jeden Diener in diesem Haus meine Hand ins Feuer legen. Vergiss nicht, du wirst hier gebraucht.«
    Philipp nickte reumütig und lächelte seinem Onkel treuherzig zu, unverkennbar erfreut über dessen Sorge um seine Sicherheit.
    Die Runde in Nathaniel Durhams Halle war klein geworden. Die Pest, die vor vier Jahren in London ausgebrochen war, hatte seine Frau, seine beiden Söhne und seinen Gehilfen Neil Ferryman dahingerafft. Durhams einzig verbliebenes Kind war eine Tochter gewesen, die einen Landjunker aus Shropshire geheiratet hatte und dann im Kindbett gestorben war. Es war eine Reihe furchtbarer Schicksalsschläge für den mächtigen Kaufherrn gewesen, doch nicht nur Nick war aus allen Wolken gefallen, als Durham sich entschlossen hatte, ausgerechnet seinen Neffen Philipp zu adoptieren und als Erben einzusetzen, obwohl der doch ältere Brüder und Cousins hatte, die dem Thron des mächtigen Kaufmannsgeschlechts näher standen und nicht jahrelang Nathaniels Groll mit ihren neumodischen religiösen Ideen auf sich gezogen hatten.
    »Es stimmt, sie hat es gesagt«, bestätigte Laura. »Und nach allem, was bei Hof gemunkelt wird, muss sie auch in Zukunft keine nächtlichen Besuche fürchten, weil der König … sich nicht zu ihr hingezogen fühlt.« Die bedeutungsvolle Pause, die sie einlegte, machte klar, was sie eigentlich meinte: Genau wie damals in den letzten Monaten mit Anne Boleyn war dem König auch bei Anna von Kleve, seiner vierten Gemahlin, das Stehvermögen abhandengekommen.
    Mit Jane Seymour hatte er hingegen einen Sohn gezeugt, den lang ersehnten Thronerben. Nick würde die Taufe des kleinen Prinzen Edward nie vergessen, denn es war der einzige unbeschwerte Tag gewesen, den er je bei Hofe verbracht hatte. Der König war so überschwänglich vor Glückseligkeit gewesen, dass er sogar Nick auf die Schulter gedroschen hatte. Mary hatte Patin für ihren Bruder gestanden, ihre kleine Schwester Elizabeth die Schleppe des Taufkleides getragen, und Nick wusste, es war nur Jane Seymour, Henrys Königin, zu verdanken, dass endlich Frieden in der königlichen Familie eingekehrt war. Aber wenige Tage später hatte die Königin plötzlich Fieber bekommen und war gestorben. Weil Henry nur Ärzte und keine Hebammen bei der Geburt zugelassen hatte, sei irgendetwas schiefgegangen, munkelte man in London.
    König Henry war erschüttert gewesen. Zum ersten Mal hatte er wirklich um eine Gemahlin getrauert. Doch im vergangenen Jahr hatte er dem Drängen seines Kronrats endlich nachgegeben und Cromwell beauftragt, in Verhandlungen über eine Eheschließung mit der Schwester des Herzogs von Jülich und Kleve einzutreten.
    »Ich kann Anna verstehen«, hörte Nick seine Schwester fortfahren. »Aber in gewisser Weise ist es schade, dass sie nun nicht Königin bleibt. Sie ist eine lebensfrohe Person, heißt es. Sie hätte Henry und uns allen gutgetan. Und Gott allein weiß, wen er als Nächstes heiraten wird.«
    »Erst einmal muss Cromwell das Kunststück fertig bringen, den König von seiner ungeliebten Braut zu erlösen«, sagte John.
    »Da hat er recht«, warf Philipp mit unverkennbarer Schadenfreude ein. »Der Herzog von Kleve hat schon einen Teil der Mitgift gezahlt. Wenn Henry ihn brüskiert, verliert er seinen einzigen mächtigen Verbündeten auf dem Kontinent, und der Kaiser und der König von Frankreich haben doch gerade erst wieder Frieden geschlossen und den Papst überredet, Henry offiziell zu exkommunizieren. Henrys Freunde auf dem Kontinent stehen nicht gerade Schlange, und Cromwell steckt ganz schön in der Klemme.«
    Nick hatte sich hingebungsvoll dem Aal gewidmet und sich darauf beschränkt, ihnen zuzuhören. Doch jetzt warnte er: »Macht Euch bloß keine Hoffnungen, Henry würde Cromwell je fallenlassen. Er wäre doch völlig hilflos ohne ihn.«
    »Was nicht heißt, dass Männer wie Norfolk den König nicht davon zu überzeugen versuchen, dass sie

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