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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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»Und mein Vater hat nie über sie gesprochen. Darum war sie nicht nur tot, sie war … überhaupt nicht vorhanden. Bis auf das Bild.«
    »Das muss schlimm für Euch und Eure Schwester gewesen sein.«
    Er befand, dass es an der Zeit sei, das Thema zu wechseln. »Und wie war es bei Euch dort oben in Fernbrook? Lebt Eure Mutter noch? Habt Ihr noch Geschwister?«
    Janis schüttelte den Kopf. »Meine Mutter starb im Winter nach meiner Geburt. Ich war das jüngste von sieben Geschwistern, aber alle außer Isaac und mir starben, eh sie erwachsen waren. Den Rest kennt Ihr.«
    Süßer Jesus, sie ist wirklich mutterseelenallein auf der Welt, dachte Nick. »Wieso hat Euer Vater Euch ins Kloster gesteckt, wenn Ihr die einzige verbliebene Tochter wart?«
    »Niemand hat mich irgendwohin gesteckt, Mylord«, wies sie ihn streng zurecht. »Es war mein Wunsch.«
    »Vergebt mir …«, bat er – angemessen demütig, wie er hoffte.
    Sie lächelte. Nick steckte die Hände zwischen die Knie, um sie daran zu hindern, nach einer der ihren zu greifen. Janis hatte das schönste Lächeln, das er je gesehen hatte, und es drohte ihn immer kopflos zu machen.
    »Zeigt Ihr mir Euer Gestüt?«, fragte sie.
    Sie blieb zehn Tage in Waringham. John und Philipp zogen auf Nathaniel Durhams Vorschlag hin durch Kent und Sussex, um Getreide aufzukaufen, damit sie für sich selbst, vor allem jedoch für die Krippe Vorräte anlegen konnten, ehe die Preise unbezahlbar wurden.
    Meg Roper hatte eingewilligt, Janis für eine Weile in der Krippe zu vertreten, damit die junge Schwester für einige Tage dem fauligen, heißen Brodem der Stadt entkommen und aufs Land reisen konnte. Janis und Laura hatten rasch Freundschaft geschlossen, und oft saßen sie zusammen mit einer Handarbeit im Garten und genossen die letzten Tage dieses langen, heißen Sommers. Nick beäugte das mit Eifersucht und quälte sich mit dem Gedanken, wie herrlich es wäre, wenn die Dinge anders lägen, er Janis heiraten könnte und sie mit Laura und Philipp beschauliche Sonntage auf dem Land oder lange Winterabende in der Stadt verbringen könnten. Wenn die Dinge anders lägen …
    Doch seine Seligkeit über Janis’ Besuch überwog seinen Kummer. Anfang Oktober kam endlich der lang ersehnte Regen, aber Janis begleitete Nick unverdrossen jeden Morgen ins Gestüt. Sie habe keine Furcht vor ein bisschen Schlamm, versicherte sie ihm, und sie mistete, fütterte und striegelte mit der gleichen Energie und Effizienz, mit der sie in der Krippe die Mädchen unterrichtete und die Bücher führte. Die Stallburschen nahmen es stoisch. Pferdesüchtige Weiber waren in Waringham schließlich keine Seltenheit.
    »Was ist mit Reiten?«, fragte Nick.
    Aber Janis schüttelte den Kopf.
    »Ich sehe doch, dass Ihr darauf brennt«, beharrte er.
    »Nein, lieber nicht, Mylord. Ich bin ganz aus der Übung und …«
    »Was wollt Ihr mir weismachen? Das gehört zu den Dingen, die man nicht verlernt, wie Ihr zweifellos wisst.«
    Aber sie ließ sich nicht überreden, und er bedrängte sie nicht weiter. Auch so wurde ihr im Gestüt niemals langweilig. Stundenlang konnte sie auf dem Gatter sitzen und ihm bei der Arbeit mit Esteban zusehen. Sie hatte den ungebärdigen jungen Andalusier besonders ins Herz geschlossen, der Nick inzwischen einigermaßen willig auf dem bloßen Rücken trug, aber immer noch vor dem Sattel scheute. Anders als Owen und Daniel, die Esteban als hoffnungslose Fehlinvestition abgetan hatten, bestärkte Janis Nick in seinem Entschluss, es weiter zu versuchen.
    »Er ist das schönste Pferd, das ich je gesehen habe.«
    So ging es Nick auch.
    »Natürlich sollte Schönheit keine Rolle spielen«, fügte sie ein wenig verächtlich hinzu – ganz die uneitle Nonne. »Aber Ihr und ich wissen, dass das Auge letztlich den Kaufpreis bestimmt, Mylord. Außerdem hat er hervorragende Anlagen, und ich glaube, er ist sehr schnell.«
    »Schnell wie der Wind. Vor allem dann, wenn er sich meiner entledigt hat und sich davonmacht …«
    Janis lachte. »Wenn Ihr ihn in die Zucht nähmet, würden die Preise früher oder später anfangen zu klettern, ich bin sicher. Irgendwann könnte das, was Owen jetzt mit sturmumwölkter Miene Euren kostspieligen Zeitvertreib nennt, wieder ein einträgliches Geschäft werden.«
    Ungläubig lauschte Nick, wie sie seine geheimsten Wunschträume aussprach. Er seufzte. »Aber wenn ich Owen gestehe, dass ich damit liebäugele, eine Andalusierstute zu kaufen, wird er mir die Brocken vor die

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