Der dunkle Thron
haben einen Vertrag unterschrieben.«
»Ich warte trotzdem«, entschied Madog. »Aber warum ziehst du nicht in das Haus, Nick? Platz genug für uns alle.«
Lord Waringham sah sich gründlich in seinem Gemach um und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Ich will nirgendwo anders sein als hier.«
Madog schaute zu Raymond. »Er ist verrückt, oder?«
Es klopfte. Auf Nicks Aufforderung öffnete sich die Tür, und Laura und Philipp traten über die Schwelle, gefolgt von John und – Nicks Herz setzte einen Schlag aus – Janis Finley.
»Wir haben uns gedacht, wir verbringen die letzten Tage des Sommers auf dem Land«, erklärte Laura strahlend und schloss ihre Brüder in die Arme. »Die Stadt ist unerträglich geworden. Wir wollten eigentlich nach Sevenelms, aber John hat vorgeschlagen, Schwester Janis Waringham zu zeigen, und da sind wir mit hergekommen.«
Es gab ein lautstarkes Durcheinander des Wiedersehens und Vorstellens. Nick begrüßte seinen Schwager und seinen Cousin und fragte nach den Neuigkeiten aus der Stadt, aber er hörte kaum, was John ihm berichtete, denn sein Blick folgte Janis, die sich willig von Laura am Arm zum Tisch führen und Raymond und Madog vorstellen ließ. Sie trug ein neues Kleid, fiel ihm auf, ebenso schlicht und dunkel wie das alte, aber nicht so zerschlissen. Mit züchtig gesenktem Blick tauschte sie ein paar Artigkeiten mit Madog und Ray, und dann wandte sie sich um und stand vor ihm. »Mylord.«
»Willkommen in Waringham, Schwester Janis.«
Nichts hatte sich geändert. Als er von ihrem furchtbaren Schicksal erfahren hatte, hatte er sich für einen Augenblick gefragt, ob ihn das vielleicht von ihr kurieren würde, weil die Vorstellung, was Edmund Howards Teufel mit ihr getan hatten, ihn abstoßen würde. Alle Männer wollten schließlich eine unberührte Jungfrau. Eine Rosenknospe, wie der König Katherine Howard genannt hatte, am besten ohne Dornen, aber keine abgerissene Blüte, die zertrampelt im Staub lag. Er hatte indessen bald gemerkt: Das Gegenteil war der Fall. Es war nicht ihre Unberührtheit, die ihn angezogen, auch nicht ihre Unerreichbarkeit, die seinen Jagdinstinkt geweckt hatte. Er wollte keine verdammte Rosenknospe. Er wollte Janis Finley. Und wenn ihr Furchtbares passiert war, dann wollte er es gutmachen. Verhindern, dass es wieder geschah. Und ihren unbeugsamen Willen bewundern, der bewirkt hatte, dass sie nicht daran zugrunde ging …
»Waringham, bist du taub?«
»Ähm … entschuldige, Philipp. Was hast du gesagt?«
»Ich fragte, ob du darüber im Bilde bist, dass Sumpfhexe und Brechnuss drüben den gesamten Hausrat zu verladen scheinen.«
»He!«, rief Raymond ärgerlich.
»Entschuldige. Lady Yolanda und Lady Louise, wollte ich natürlich sagen«, verbesserte Philipp sich hastig.
»Meine Mutter ist keine Diebin«, stellte der junge Mann stirnrunzelnd klar.
»Mir ist gleich, was sie mitnehmen«, bekannte Nick. »Alles, was mir etwas bedeutet, ist hier. Außerdem scheint mir kein Preis zu hoch. Stellt Euch vor: Lady Yolanda verlässt uns, um den Earl of Burton zu heiraten.«
Es gab Ausrufe der Verwunderung und Überraschung. Philipp und John flachsten ein bisschen, aber sie nahmen Rücksicht auf Raymond und sparten sich die wirklich ausgefallenen Gehässigkeiten. Madog ging zur Tür, brüllte nach mehr Wein, der auch bald kam, und es war eine ausgelassene Gesellschaft, die auf Yolanda Howards zukünftiges Lebensglück anstieß.
Janis trat zum Fenster, sah einen Moment in den Garten hinab und setzte sich dann auf die gepolsterte Fensterbank. Nick gesellte sich zu ihr.
»Das ist ein wundervolles Gemälde«, bemerkte sie, den Blick auf die Wand neben seinem Bett gerichtet.
»Meine Mutter«, sagte er.
Janis nickte. »Als wäre der Rahmen ein Fenster und sie stünde drüben auf der anderen Seite.«
Nick fror plötzlich am Rücken. Genau das hatte sein Vater auch einmal gesagt. Um das leise Gruseln zu vertreiben, erklärte er nüchtern: »Susanna Horenbout hat es gemalt.«
»Wirklich? Wir hatten im Kloster ein Stundenbuch, das sie mit Miniaturen koloriert hatte. Es war wundervoll. Aber ich wusste nicht, dass sie auch Porträts anfertigt.«
»Normalerweise nicht, glaube ich. Ihr Bruder Lucas ist Hofmaler, aber sie hilft meistens nur in seiner Werkstatt aus.«
»War Eure Mutter mit ihr befreundet?«
»Ich weiß es nicht«, gestand er bedauernd. »Ich weiß praktisch nichts über meine Mutter.«
»Wart Ihr noch sehr jung, als sie starb?«
Er nickte.
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