Der dunkle Thron
und fügte an Nick gewandt hinzu: »Können wir vielleicht versuchen, das hier mit ein bisschen Anstand hinter uns zu bringen?«
Nick stieß hörbar die Luft aus, gab aber nach. »Also gut.«
Doch seine Stiefmutter hatte offenbar kein Interesse an einem versöhnlichen Abschied. »Nicht Burton ist es, wo wir leben werden, sondern bei Hofe!«, schleuderte sie ihm entgegen. Er wusste, dass das insgeheim immer ihr Traum gewesen war. »Der Earl of Burton ist der Schatzmeister Ihrer Majestät der Königin und ein tadelloser Gentleman. Und er hat keinen Erben! Ich entkomme mit diesem wohlüberlegten Schritt also nicht nur der ländlichen Eintönigkeit von Waringham, sondern ich sichere die Zukunft deines Bruders! Du kannst deinen Titel also dem Bastard deiner liederlichen Dienstmagd überlassen, wenn es dich dazu treibt; Raymond ist nicht auf deine Mildtätigkeit angewiesen!«
Dieser versuchte noch einmal, die Wogen zu glätten, und beschwor sie: »Mutter, lass gut sein. Polly ist keine liederliche Dienstmagd und Francis kein Bastard. Warum kannst du nicht …«
»Schon gut, Ray«, unterbrach Nick ihn und verbeugte sich nochmals vor seiner Stiefmutter. »Wann gedenkt Ihr, der ländlichen Eintönigkeit von Waringham den Rücken zu kehren?«
»Noch in dieser Stunde. Ich habe alles gepackt.«
Er nickte. »Ich mache Euch darauf aufmerksam, dass mit dem Tag Eurer Vermählung Euer Anspruch auf Eure Einkünfte hier und Euer Wohnrecht in Waringham erlöschen, Madam.«
»Du kannst dir nicht vorstellen, mit welcher Seligkeit ich darauf verzichte.«
Nick musste die Zähne zusammenbeißen. Ihre Geringschätzung für Waringham kränkte ihn, und natürlich wusste sie das. Nur deswegen sagte sie es ja. Er sah seinem Bruder in die Augen. »Raymond, vergib mir, was ich jetzt sage, aber es geht nicht anders.« Und an Sumpfhexe gewandt fuhr er fort: »Schaut Euch noch einmal gründlich um, ehe Ihr aufbrecht. Denn solange ich Earl of Waringham bin, werdet Ihr mein Land nie wieder betreten, meine Burg erst recht nicht. Das gleiche gilt für deine Frau, Dudley. Du hingegen bist in Waringham jederzeit willkommen.«
Jerome Dudley würdigte ihn keiner Antwort.
Zu Nicks Erleichterung begleitete Raymond ihn zurück zum Bergfried, statt grußlos und zornig mit seiner Mutter und Schwester abzureisen, wie der ältere Bruder befürchtet hatte.
»Es tut mir leid, Ray«, sagte er seufzend, während sie den Innenhof überquerten. »Ich weiß, dass das alles nicht einfach für dich ist.«
»Nein«, gab der Jüngere zu. »Aber seit ich die Augen aufgemacht und erkannt habe, wie der König und mein Onkel Norfolk in Wirklichkeit sind, hat sich auch mein Blick auf viele andere Dinge verändert. Auf dich, zum Beispiel. Ich liebe meine Mutter und meine Schwester, Nick, und es macht mir zu schaffen, dass ihr einander so leidenschaftlich verabscheut, aber mir ist klar geworden, dass sie genauso schuld sind wie du. Ich misch mich nicht mehr ein. Das müsst ihr untereinander ausmachen.«
»Sehr weise«, befand Nick. »Und wie denkst du über die Vermählung deiner Mutter mit dem Earl of Burton?«
Raymond hob die Schultern. »Sie ist hier oft sehr einsam. Ich verstehe, dass sie lieber bei Hofe leben möchte. Und Burton erhofft sich über sie eine Verbindung zu Norfolk. Ich schätze, sie bekommen beide, was sie wollen. Und wenn er ins Gras beißt und nicht plötzlich und unerwartet ein verschollener Cousin aufkreuzt, bekomme ich einen Titel und Land. Dagegen hab ich auch nichts.«
Doch freudig erregt ob dieser unverhofft rosigen Aussichten wirkte Raymond nicht. Es klang eher gleichgültig. Die Melancholie, die ihn seit der Hochzeit des Königs mit seiner Cousine überkommen hatte, hielt sich hartnäckig.
Nick zog den hohen Torflügel auf. »Du begleitest deine Mutter nicht an den Hof?«
Raymond schüttelte den Kopf. »Norfolk hat mich ein paar Tage beurlaubt.«
»Großartig. Dann komm morgen früh mit ins Gestüt und hilf mir ein bisschen. Das wird dir guttun.«
»Ja, mal sehen.«
Sie gingen zu Madog zurück, und Nick berichtete dem Steward von den Neuigkeiten. »Das heißt, du kannst mit Elena und den Kindern drüben ins Wohnhaus ziehen, wenn du willst«, schloss er. »Vielleicht wartest du sicherheitshalber, bis die Hochzeit vorüber ist. Nicht dass noch irgendetwas schiefgeht und meine Stiefmutter hier nächste Woche wieder ans Tor klopft, um ihr Wohnrecht zurückzufordern.«
»Ich schätze, die Gefahr ist eher gering«, bemerkte Raymond. »Sie
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