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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Schwester.«
    »Fünfzehn.«
    »Also kein Kind mehr. Ich dachte, Nathaniel Durham wollte ihn bei einem seiner Weber in die Lehre schicken?«
    »Hm«, stimmte sie zu. »Aber bislang wollte ihn keiner haben. Ich bin auch nicht sicher, ob das gut für ihn wäre, denn die Weber sind allesamt radikale Reformer, und Richard führt gern ketzerische Reden, um zu beweisen, was für ein furchtloser Kerl er ist. Vermutlich wäre es das Beste für den Jungen, er käme aus der Stadt raus irgendwo aufs Land, damit er zur Ruhe kommen kann.«
    Nick hob abwehrend beide Hände. »Ich ahne, worauf das hinausläuft. Ich soll ihn als Stallknecht nehmen, das meint Ihr doch, oder?«
    »Es ist mir durch den Sinn gegangen«, räumte sie ein, und der verstohlene Blick und das schuldbewusste Lächeln, mit denen sie ihn bedachte, wollten ihn verleiten, auf der Stelle einzuwilligen.
    Stattdessen brummte er: »Master Gerard ist … ausdauernd.«
    Janis gab keinen Kommentar ab. Sie stand auf, holte den Schlüssel aus seinem Versteck im Astloch und schloss das Geld weg. Dann trug sie die Summe in eine ihrer vielen Listen ein und zog sich den Abakus heran, um irgendetwas auszurechnen.
    Endlich hörten die Schläge auf der anderen Seite des Flurs auf, und erst jetzt merkte Nick, dass er die Zähne zusammengebissen hatte. Er fuhr sich kurz mit der Hand übers Kinn. »Schwester, an Mariä Lichtmess sind die Lehrer und Förderer der Krippe traditionell zum Essen bei mir und Doktor Harrison zu Gast. Kein großes Bankett, versteht Ihr, wir finden uns zusammen und schmausen ein bisschen und sammeln ein paar Gedanken. Was das vergangene Jahr uns gelehrt hat, was wir besser machen können und so weiter. Würdet Ihr mir die Freude machen, dabei zu sein?«
    Sie notierte eine Zahl am Rand ihrer Aufstellung und sah stirnrunzelnd auf. »Oh, ich weiß nicht, Mylord … Die Kinder wären stundenlang allein.«
    Er winkte ab. »Es sind genügend Große da, um auf die Kleinen achtzugeben, und auf die Köchin kann man sich auch verlassen. Kommt schon, sagt ja.«
    »Ich werd’s mir überlegen.«
    Nick brummte missfällig. »Werdet Ihr einwilligen, wenn ich verspreche, dass ich bis zum Frühling eine Arbeit weit weg von London für Richard finde? Wenn nicht in Waringham, dann vielleicht bei Philipp Durhams Bruder in Sevenelms. Jedenfalls auf dem Land.«
    Janet schien verblüfft, aber sie zögerte nicht. »Eure Einladung ehrt mich, Mylord«, sagte sie lächelnd. »Ich komme gern.«
    »Gut.« Und er dachte: Es wird höchste Zeit, dass sie einmal wieder etwas Vernünftiges zu essen bekommt. Schwester Janis teilte die magere Kost der Waisenkinder und kam ihm noch schmaler vor als bei ihrer Ankunft im letzten Frühling. Ihr schien die mangelnde Ernährung freilich überhaupt nichts auszumachen, und die Köchin hatte Nick berichtet, dass man Schwester Janis manchmal daran erinnern müsse, zum Essen zu kommen, wenn sie in eins ihrer Bücher vertieft war. Janis’ Neigung, über ihre Lektüre die lebenswichtigen Grundbedürfnisse zu vergessen, erinnerte ihn an seinen Vater.
    Als er sich bei Einbruch der Dämmerung auf den Heimweg machte, erwischte er Richard am Tor.
    »Wo willst du denn hin?«
    Der Junge fuhr erschrocken herum. »Weg«, antwortete er kurz angebunden. »Nur weg von hier.« Und als fürchte er, Nick werde ihn aufhalten, stemmte er den Eisenriegel hoch, zog den rechten Torflügel auf und trat auf die Straße hinaus.
    Nick folgte ihm. »Richard, warte …«
    »Worauf?«, bekam er zur Antwort. »Ihr könnt mich hier nicht einsperren!«
    »Das ist auch nicht meine Absicht«, stellte Nick klar. »Aber denk einen Augenblick nach. Die Nacht bricht herein. Wo willst du hin?«
    »Das soll Euch nicht kümmern«, murmelte der Junge und wollte sich abwenden, aber Nick hielt ihn am Ärmel zurück. Richard riss sich los. »Lasst mich zufrieden! Ich verschwinde, und es gibt nichts, was Ihr dagegen tun könnt!«
    »Junge, sei doch nicht verrückt. Du wirst erfrieren oder verhungern, wenn du jetzt gehst. Ich weiß, dass es mit dir und Master Gerard nicht zum Besten steht, aber hier kannst du wenigstens überleben. Und du hast mein Wort, vor dem Frühling habe ich eine Arbeit weit weg von der Krippe für dich gefunden.«
    Richard stieß verächtlich die Luft aus. »Wenn Ihr wüsstet, wie satt ich Eure papistische Wohltätigkeit habe! Die Äbte und die Lords pressen die kleinen Leute bis auf den letzten Blutstropfen aus und behaupten, Gott hätte ihnen das Recht dazu gegeben,

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