Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
ich.«
    Nick horchte auf. »Ihr könnt Französisch?« Es war nicht einmal mehr unter dem Adel weit verbreitet.
    Anthony nickte.
    »Sonst noch etwas?«, fragte Nick weiter.
    »Ich bin nicht sicher, was Ihr meint, Mylord«, gab der Priester unsicher zurück. »Ich spreche Italienisch, Deutsch, Griechisch und natürlich Latein. Mein Arabisch ist ein wenig eingerostet, fürchte ich, mein Hebräisch etwas besser.«
    »Du meine Güte«, brummte Simon Neville. »Ihr übertrumpft mich um vier Sprachen, Vater Anthony. Ich bin nicht sicher, ob mir das gefällt …«
    Nick sah seinen Besucher fasziniert an. »Wie kann ein Mensch so viele Sprachen beherrschen?«
    »Oh, es ist … es ist mir immer leichtgefallen, sie zu lernen«, antwortete Anthony, dem ihre Bewunderung sichtlich peinlich war. »Als junger Mann war ich Bibliothekar in Blackfriars, da waren Sprachkenntnisse äußerst nützlich.«
    »Ihr wart Dominikaner?«, fragte Simon ein wenig pikiert.
    »Ihr wart Bibliothekar?«, hakte Nick im selben Moment nach, und sein Herzschlag beschleunigte sich. Fast kam es ihm vor, als hätte Gott ihm diesen Mann geschickt, um ihn zu ermutigen, den kühnen Plan in die Tat umzusetzen, mit dem er sich seit einigen Monaten trug.
    »Ja und ja«, antwortete Anthony. »Die Dominikaner haben mich ausgeschlossen, nachdem ich einen Dieb im Kloster versteckt habe, dessen Asyl abgelaufen war …« Er sah Nicks Gesichtsausdruck und musste selbst lachen. »Ja, ich weiß. Meine Neigung, arme Sünder zu verbergen, begleitet mich schon mein Leben lang und hat mich bereits des Öfteren in Schwierigkeiten gebracht. Jedenfalls jagten die Dominikaner mich in Schimpf und Schande davon. Aber ich hatte zum Glück die Priesterweihe empfangen. Und so kam ich nach St. Matthew.«
    »Wie habt Ihr das ausgehalten?«, fragte Simon erstaunt. »Eine Hungerleiderpfarre in Southwark statt der vielleicht besten Bibliothek Englands?«
    Anthony sah ihm einen Moment in die Augen. »Manchmal in Demut, Vater Simon. Manchmal überhaupt nicht. Es gab gute und schlimme Tage. Und irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt.«
    Nick legte die Hände zusammen, stützte das Kinn auf die Fingerspitzen und dachte einen Moment nach. Dann fragte er: »Habt Ihr je erwogen, Lehrer zu werden, Vater Anthony?«
    Der lächelte ein wenig kläglich. »Das war immer mein größter Wunsch. Aber es sollte nicht sein.«
    »Sagt das nicht«, widersprach Nick. »Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Das weiß ich noch nicht ganz genau«, musste Nick zugeben.
    Simon Neville wandte den Blick zur Decke. »Gott steh uns bei. Nicholas of Waringham hat eine Idee …«

London, Oktober 1542
    »Du bist ja nicht bei Trost«, urteilte Janis mit einem ungehaltenen Stirnrunzeln. »Du willst eine Schule gründen? In Waringham?«
    »Sprich es nicht aus, als läge es in der Neuen Welt. Warum denn nicht in Waringham?«, konterte er.
    »Weil … weil …« Sie vollführte eine unbestimmte hilflose Geste. »Weil es seit der Aufhebung der Klöster keine Schulen in der Einöde mehr gibt. Schulen gehören in Städte, die Gelehrte anziehen, Mylord, wie Oxford oder Cambridge, Canterbury, London oder York.«
    »Ich habe aber schon zwei hervorragende Gelehrte«, entgegnete er triumphal. »Drei, wenn du einwilligst.«
    Janis stand auf, trat ans Fenster des Priorzimmers und sah in den Hof der Krippe hinaus. Es war ein abscheulicher Herbsttag. Der Wind peitschte den Regen gegen die umgebaute kleine Kirche gegenüber, und große Pfützen hatten sich im Hof gebildet. Chrissie kam mit einem vollen Milcheimer aus dem Stall, hielt ihr Schultertuch mit der freien Hand am Hals zusammen und lief geduckt zum Küchenhaus. »Wie könnte ich, Nick?«, fragte Janis, ohne sich umzuwenden. »Ich würde sie im Stich lassen. Das wäre unverzeihlich.«
    Er stand auf, trat hinter sie und legte die Hände auf ihre schmalen Schultern. »Wir lassen sie nicht im Stich«, widersprach er. »Wir suchen einen Ersatz für dich. Es gibt weiß Gott genug Nonnen in London, die sich als Dienstmagd oder Näherin verdingen mussten und die froh über diese Anstellung hier sein werden. Wir suchen so lange, bis wir eine gefunden haben, die gebildet genug ist, um die Mädchen hier Lesen zu lehren, und vor allem gütig genug, um ihnen Nestwärme zu geben, so wie du es getan hast. Aber deine Talente sind hier verschwendet, das musst du doch zugeben. Seit über zwei Jahren lebst du in diesem Haus und wartest auf ein Mädchen, das

Weitere Kostenlose Bücher