Der dunkle Thron
wie ein Großvater.«
Nick wies einladend zum Tisch. »Komm. Lass uns einen Schluck auf sein Andenken trinken.« Er war bekümmerter, als er gedacht hätte. Nathaniel Durham war ihm bei aller Distanz immer ein Freund gewesen. Hatte Waringham vor Sumpfhexes und Bruder Norfolks Klauen bewahrt und ihm in finanziellen Belangen oft gute Ratschläge gegeben – wenn auch meistens ungebeten.
Janis holte den Schlüssel aus dem Astloch, sperrte den Schrank auf und stellte Weinkrug und Becher auf den Tisch.
Nick schenkte ein. » Requiescat in pace, Nathaniel Durham«, murmelte er. »Der König der Kaufherren ist tot.« Mit einem kleinen Lächeln hob er Philipp seinen Becher entgegen. »Lang lebe der König.«
Doch sein Schwager winkte mit einem Protestlaut ab. »Ich weiß nicht, ob ich der Rolle gerecht werden könnte. Es gehört jedenfalls mehr dazu als Rechenkünste und ein Auge für Farben.«
»Da bin ich sicher. Aber du wirst deine Sache hervorragend machen. Du hast immer in seinem Schatten gestanden. Jetzt kommt deine Stunde.«
Philipp nickte. Seine Miene zeigte ein leises Unbehagen, aber Nick meinte durchaus, was er gesagt hatte: Philipp Durham war ein kluger und auch ein mutiger Mann, andernfalls hätte er seinem gefürchteten Onkel niemals all die Jahre die Stirn bieten können, da sie sich wegen ihrer unterschiedlichen religiösen Auffassungen entzweit hatten. Er würde schon noch feststellen, dass er auch die erforderliche Härte besaß – und die richtige Frau an seiner Seite hatte –, um sich in dieser Stadt voll mächtiger und gerissener Pfeffersäcke den nötigen Respekt als der neue Master Durham zu verschaffen.
»Ich muss wohl nicht erwähnen, dass die Unterstützung für die Krippe unverändert weitergeht«, sagte Philipp zu Janis, aber er schaffte es nicht, ihr dabei in die Augen zu sehen.
»Das ist sehr gut von dir, Philipp«, erwiderte sie. »Aber ich werde die Krippe bald verlassen.«
Nicks Kopf fuhr herum. »Ist das ein Ja?«
Mit einem kleinen Lächeln nahm sie seine Hand, aber es war Philipp, den sie anschaute, als sie sagte: »Ich gehe mit Nick nach Waringham und helfe ihm, dort seine Schule zu gründen. Es war eine glückliche Fügung, dass du uns so unverhofft ertappt hast. Es hat mir klargemacht, dass ich mich vor der Missbilligung der Welt nicht fürchten muss, denn sie ist mir gleich.«
»Ich missbillige nicht …«, begann Philipp unbehaglich.
»Doch, das tust du«, unterbrach Janis. »Was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, denn wenn ihr Reformer die Klöster nicht aufgelöst hättet, gäbe es jetzt nicht Tausende von Nonnen in England, die sich einen neuen Platz im Leben suchen müssen. Aber ich trage euch nichts nach. Mein neuer Platz im Leben gefällt mir nämlich viel besser als der alte.« Sie drückte Nicks Hand kurz an die Lippen, und in ihren Augen lag ein Funkeln, das eine gute Portion Schalk enthielt und noch etwas anderes, was Nick nicht sofort zu deuten wusste, weil er es noch nie an ihr gesehen hatte. Es war Zuversicht.
Waringham, Dezember 1542
Die Tür flog krachend auf. »Vater? Endlich bist du zurück! Ich hab dich so schrecklich vermisst! Weißt du schon …« Francis verstummte abrupt, als er seinen Vater mit verschränkten Armen vor sich stehen sah, die linke Braue hochgezogen, ansonsten mit völlig unbewegter Miene.
Der Junge hob beide Hände zu einer Geste der Entschuldigung, machte kehrt, verließ den Raum und schloss die Tür. Dann klopfte er an und steckte den Kopf durch die Tür. »Vater?«
»Ah, sieh an. Francis of Waringham …«
»Darf ich eintreten?«
»Bitte.«
Wieder flog die Tür auf, Francis kam hereingestürmt, und dieses Mal hob Nick ihn lachend auf und wirbelte ihn einmal herum.
»Vermisst, he? Aber ich war doch nur drei Tage fort.«
»Trotzdem.«
»Na ja. Ich würde sagen, ich bin einigermaßen geschmeichelt. Und du hast mir auch gefehlt. Sieh nur, Francis, ich habe jemanden mitgebracht. Dies ist Schwester Janis Finley. Sie wird Lehrerin an unserer Schule.«
Francis betrachtete Janis wie alle anderen Neuerungen in seinem Leben: vertrauensvoll und optimistisch. »Dann sei so gut und lass mich runter«, bat er seinen Vater höflich. Als er auf den Füßen stand, vollführte er seinen galanten Diener. »Willkommen in Waringham, Schwester Janis.«
»Hab Dank, Francis«, antwortete sie feierlich.
»Ihr werdet jetzt hier bei uns wohnen?«, vergewisserte er sich.
»Ganz recht.« Sie setzte sich auf die gepolsterte Fensterbank, um
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