Der dunkle Thron
mir das Leben ermöglichen willst, das ich mir immer gewünscht habe«, sagte sie bedächtig.
Er wappnete sich. »Ich nehme an, das heißt Nein?«
Ihr Kopf ruckte hoch. »Ich bin nicht sicher«, gestand sie. »Wir hätten eine respektable Front, aber wir würden in Sünde leben.«
»Das hat dich bisher nie bekümmert.«
»Du hast recht. Es ist mir gleich. Ich habe früher nie viel darüber nachgedacht, weil die Frage sich nicht gestellt hat, aber ich denke nicht, dass Gott ein Anrecht auf meine Enthaltsamkeit hat. Was will er damit? Aber früher oder später würde ich vermutlich schwanger.«
»Damit befassen wir uns, wenn es passiert. Und es wäre keine solche Katastrophe. Ich bin Lord Waringham, darum kann ich mir einen unmoralischen und exzentrischen Lebenswandel leisten. Vielleicht das einzige, wozu der Name noch taugt. Du und unsere Kinder, sollte es sie geben, werdet unter meinem Schutz stehen und gut versorgt sein, wenn ich sterbe. Es ist nicht perfekt. Ich würde lieber eine anständige Frau aus dir machen. Aber das kann ich nicht. Ich hatte gehofft …« Er unterbrach sich und winkte ab. »Ich laufe Gefahr, mich zu wiederholen.«
Janis stand auf, schlang die Arme um seinen Hals und presste das Gesicht an seine Brust. »Ich würde lieber heute als morgen mit dir nach Waringham gehen und mit dir zusammen diese Schule gründen«, bekannte sie. »Aber ich habe Angst, Nick.«
Er legte die Arme um sie und drückte die Lippen auf ihren Scheitel. »Wovor? Was der Rest der Welt über uns denken und sagen wird?«
Sie schüttelte den Kopf. »Dass Gott mir nicht vergibt, wenn ich die Kinder hier aus Selbstsucht im Stich lasse und wegwerfe, was er mir geschenkt hat. Dass wir irgendwann … ich weiß nicht … einen schrecklichen Preis für unser gestohlenes Glück zahlen müssen oder etwas in der Art.« Sie lachte beschämt.
»Janis.« Er legte die Hände auf ihre Wangen, hob ihr Gesicht an und sah ihr in die Augen. »Wir haben beide schon so viel bezahlt. Du glaubst insgeheim immer noch, du musst dich hier opfern, in Armut leben und wie eine Magd schuften, weil deine Mitschwestern gestorben sind und du überlebt hast. Aber irgendwann muss damit Schluss sein, hörst du? Du hast deine Schuld beglichen.«
Ihr Blick verriet, dass sie daran immer noch Zweifel hatte, und Nick küsste sie auf die Stirn, die Nasenspitze und dann auf den Mund, strich mit der Zunge über ihre Lippen, mit den Händen über ihren Rücken und presste sie an sich, weil er das Gefühl hatte, wenn er sie mit Worten nicht überzeugen konnte, dann vielleicht mit Taten. Er wünschte sich so sehr, dass sie wagen würde, alle Konventionen und Bedenken über Bord zu werfen und mit ihm nach Waringham zu kommen; so viel hing für ihn davon ab. Und er wusste genau, dass es das war, was sie wollte.
Um ihr zu vergegenwärtigen, was sie sich alles entgehen ließe, wenn sie ablehnte, fing er an, mit der Linken ihren Rock zu raffen, als eine Stimme von der Tür erschrocken ausrief: »Oh, das kann doch wohl nicht wahr sein …«
Nick und Janis stoben auseinander.
»Philipp«, grüßte Nick mit einem ergebenen Achselzucken und dachte: Wie gut, dass du jetzt und nicht in fünf Minuten gekommen bist.
Betroffen und sprachlos schaute sein Schwager von ihm zu Janis und wieder zurück.
Nick legte Janis den Arm um die Schultern, aber sie bedurfte keines Beistands. Eine Spur herausfordernd erwiderte sie Philipps Blick. »Du wirst feststellen, dass deine Frau weit weniger überrascht sein wird«, merkte sie an.
»Laura weiß Bescheid?«, fragte Nick schockiert.
Sie nickte.
»Süßer Jesus«, murmelte er. Seit einem Jahr ging das jetzt mit ihm und Janis, und seine Schwester hatte sich nie das Geringste anmerken lassen. Wie seltsam Frauen doch waren, erkannte er nicht zum ersten Mal. Und dass sie ständig über alles miteinander reden mussten …
Philipp fasste sich. Er trat über die Schwelle, schloss die Tür und sagte kopfschüttelnd: »Ihr seid erwachsen und müsst selbst wissen, was ihr tut.«
»So ist es«, gab Nick zurück. »Warst du auf der Suche nach mir?«
Sein Schwager nickte niedergeschlagen. »Mein Onkel ist gestorben, Nick.«
»Sir Nathaniel?«, fragte Janis erschrocken. »Wann?«
»Letzte Nacht. Eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht. Ein Ende, wie es sich jeder wünscht. Aber wir sind trotzdem alle traurig. Die Kinder haben den ganzen Tag geweint. Der Welt hat er immer nur die raue Schale gezeigt, aber zu den Kindern war er …
Weitere Kostenlose Bücher