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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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eingeschnappt über ihre Zurückweisung. Er führte sie einen engen, schmucklosen Korridor entlang, durch eine bewachte Tür in eine vornehme Eingangshalle mit venezianischen Tapeten an den Wänden. Kein Zweifel, sie waren in der Stadtresidenz des Bischofs angelangt. Es ging eine breite Holztreppe hinauf und zu einer reich geschnitzten Doppeltür. Die livrierten Wachen öffneten und traten beiseite.
    Der Sergeant führte Janis in das Arbeitszimmer des Bischofs, das ihm gleichzeitig als kleine Audienzhalle diente, und der Anblick eines so prunkvollen, hellen Raums mit so herrlichen flämischen Gemälden hätte ihr vielleicht die Angst genommen, wären nicht hier und da eingetrocknete Blutstropfen auf den hellen Marmorfliesen zu sehen gewesen.
    Bischof Bonner saß hinter einem dunkel gebeizten Tisch voller Papiere und sah ihr mit einem verhaltenen Lächeln entgegen. »Schwester Janis Finley? Ich bedaure die Unannehmlichkeiten.«
    »Wirklich?«, gab sie zurück. »Warum macht Ihr sie dann?«
    Das Lächeln auf dem feisten Gesicht wurde breiter, aber die kohlschwarzen Augen erreichte es nicht. »Ich fürchte, mir blieb keine Wahl, Schwester. Es sind Anschuldigungen gegen Euch erhoben worden, die ich nicht einfach ignorieren kann.«
    Er legte eine Pause ein, vermutlich um ihr Gelegenheit zu geben, sich mit bangem Blick zu erkundigen, um welche Anschuldigungen es sich handele, argwöhnte Janis und hielt den Mund.
    Doch das brachte den Bischof nicht aus dem Konzept. »Ist es zutreffend, dass Ihr am zweiundzwanzigsten April im Jahre des Herrn eintausendfünfhundertundsiebenunddreißig auf Lady Katherine Nevilles Gut Whitekirk Manor in Süd-Yorkshire einen gewissen Sir Edmund Howard mit einer Klinge am Bein verletzt habt? Und lügt mich lieber nicht an, Schwester. Ich kann Euch auch einen Eid auf die Bibel schwören lassen.«
    Janis ließ Bonner nicht aus den Augen. »Das ist nicht nötig, Mylord. Ja, es ist zutreffend.«
    »Obwohl dieser Edmund Howard unbewaffnet war?«
    »Er war nicht unbewaffnet.«
    »Und warum habt Ihr ihn angegriffen, Schwester?«
    »In Notwehr. Und da Ihr die Einzelheiten gewiss kennt, bin ich nicht gewillt, mich weiter dazu zu äußern oder vor Euch zu rechtfertigen. Wenn Ihr mich deswegen vor Gericht bringen wollt, dann schickt nach dem Sheriff. Es ist keine Angelegenheit kirchlicher Justiz. Wie Ihr zweifellos wisst, dürfen seit dem Gesetz mit dem Titel Die Unterwerfung des Klerus auch von Geistlichen begangene Straftaten nur noch vor weltlichen Gerichten verhandelt werden.«
    Der Bischof sah für einen Moment so aus, als habe er in eine reife Pflaume gebissen und dabei einen Wespenstich in die Zunge bekommen. »Für eine Frau seid Ihr … gut über das Gesetz informiert.«
    Janis gestattete sich ein kleines Hohnlächeln.
    Bonner blickte ratsuchend zu einem hölzernen Wandschirm zur Linken, und Janis wäre um ein Haar zusammengeschreckt, als ein hagerer, unscheinbarer Mann in dunklen Kleidern und mit seltsam farblosen Augen dahinter zum Vorschein kam und mit einem verbindlichen Lächeln auf sie zu trat. »Dann gestattet mir eine andere Frage.« Seine Stimme war rau, aber nicht unangenehm.
    »Wenn Ihr die Höflichkeit hättet, Euch vorzustellen, Sir?«, wies sie ihn in ihrem strengsten Lehrerinnenton zurecht.
    »Vergebt mir. Richard Rich, zu Euren Diensten, Schwester.« Er verneigte sich galant.
    Janis spürte ihre Hände feucht werden. Richard Rich war der Mann, der sowohl Thomas More als auch Thomas Cromwell mit Verleumdungen und Meineiden zu Fall gebracht hatte, der sich als Chancellor der Augmentationskammer schamlos bereichert hatte – kurz, ein gefährlicher Mann ohne Anstand oder Skrupel.
    Wie ein Ankläger vor Gericht stellte er sich seitlich an den Tisch des Bischofs, legte die schmale Linke auf einen kleinen Stapel mit Schriftstücken und fragte: »Ist es richtig, dass Ihr Lord Waringhams … Gefährtin seid?«
    »Ich bin nicht sicher, wie das Wort zu verstehen ist, Sir Richard«, gab sie zurück, und sie war stolz darauf, wie fest ihre Stimme klang. Viel mutiger, als sie sich fühlte. »Wenn Ihr meint, dass wir gemeinsam eine Schule betreiben, dann ja.«
    »Eine Schule, deren Lehrplan auf ketzerische Inhalte zu untersuchen sein wird«, merkte Rich scheinbar beiläufig an. »Aber meine Frage bezog sich auf Eure persönliche Beziehung zu Lord Waringham. Ich wüsste gerne, ob Ihr seine Bettgefährtin seid, Schwester. Und für den Fall, dass Ihr auch bei diesem Wort nicht sicher seid, wie es

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