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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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können.«
    »Oh, Simon. Gott segne dich. Für alles.« Er schloss den Priester impulsiv in die Arme, was ihm unter normalen Umständen niemals in den Sinn gekommen wäre.
    Simon zuckte erschrocken zurück. »Es gibt etwas, das ich dir sagen muss, Nick«, eröffnete er ihm dann betont nüchtern. »Unter vier Augen. Vergebt mir, Chapuys.«
    Der winkte versöhnlich ab und wollte sich erheben, aber Nick hielt ihn mit einer Geste zurück und antwortete Simon: »Was immer es ist, er bekommt es ja doch heraus. Und ich traue ihm. Also?«
    Simon war offenbar nicht glücklich über den Zeugen. »Es geht … um die Nonnen von Wetherby«, begann er zögernd.
    Nick hob die Hand zu einer ungeduldigen Geste. »Was immer du mir darüber sagen willst, weiß ich vermutlich schon. Von Chapuys, wie der Zufall es will.«
    »Ach wirklich?«, gab Simon kühl zurück. »Und weißt du auch, dass die Äbtissin von Wetherby meine Schwester war?«
    »Gott, ist das wahr?«, fragte Nick erschüttert. »Lady Katherine?«
    »Ja, Lady Katherine Neville.« Simons Stimme klang ungehalten. »Wie dir sicher bekannt ist, sind die Neville ausgesprochen fruchtbar. Wir waren zwölf Geschwister. Lord Latimer, der letzte Gemahl der Königin, war übrigens auch mein Bruder. Die Neville zählen nicht mehr viel, aber wir sind immer noch allgegenwärtig.« Sein Lächeln war eine Mischung aus Selbstironie und Bitterkeit. »Meine Schwester Katherine und ich waren indes die einzigen von dem ganzen Dutzend, die die kirchliche Laufbahn eingeschlagen haben, und wir standen in einem regen Briefkontakt. Sie hat mir oft von Janis Finley berichtet, der begabtesten Novizin, die sie je gehabt habe, wie sie sagte. Katherine schrieb mir in allen Einzelheiten von ihren Fortschritten, weil sie argwöhnte, ich bezweifle die intellektuellen Fähigkeiten von Frauen generell.«
    »Deine Schwester argwöhnte zu Recht«, warf Nick zerstreut ein.
    »Vielleicht. Aber das ist nicht der Grund, warum ich dir davon erzähle, Nick. Dank der Briefe meiner Schwester weiß ich etwas über Janis, das sie aus Bonners Klauen retten könnte. Womöglich bin ich der einzige Mensch, der es weiß. Außer ihr selbst, meine ich. Aber ich bin nicht sicher, ob ich das Recht habe, es dir zu sagen. Es ist ihr Geheimnis, und sie sollte entscheiden, ob und wann es gelüftet wird.«
    »Deine moralischen Bedenken in allen Ehren, Neville«, knurrte Nick. »Aber wenn es sie retten kann, dann will ich auf der Stelle wissen, was es ist.«
    Simon zögerte immer noch.
    Nick ballte die Fäuste, ohne es zu merken. »Simon. Bitte. Wie … wie kannst du nur glauben, Janis könnte von mir Gefahr drohen? Was bildest du dir eigentlich ein, dass du dir anmaßt, zu glauben, sie bräuchte Schutz vor mir?«
    »Nicht ich glaube das, Nick«, entgegnete Simon kopfschüttelnd. »Aber sie offenbar. Sonst hätte sie es dir längst selbst gesagt.«
    Am frühen Nachmittag, vielleicht zwei Stunden nachdem ein Wachsoldat und ein Priester die arme Nell Dobson abgeholt hatten, öffnete die Tür zu der engen, schmutzigen Zelle sich wieder, und der Sergeant vom Abend zuvor trat ein. Er musste den Kopf einziehen, um unter dem Sturz hindurchzupassen. »Kommt, Schwesterlein.« Er winkte mit einem Finger.
    Janis kam ohne Mühe auf die Füße, obwohl es ihr vorkam, als sei ihr die eisige Kälte bis in die Knochen gedrungen. »Wie überlebt hier irgendwer länger als eine Woche?«, erkundigte sie sich, während der Sergeant sie die Gasse entlangführte.
    »Selten«, räumte er ein. »Jedenfalls im Winter. Aber die meisten werden sowieso nach ein, zwei Tagen abgeurteilt. Sie haben gar keine Zeit, sich die Schwindsucht zu holen. Darum wäre es Verschwendung, die Zellen zu heizen, meint unser Bischof«, schloss er augenzwinkernd, schob sie vor sich her durch eine Tür und kniff ihr bei der Gelegenheit verstohlen ins Gesäß. »Ha«, machte er. »Weich und stramm, wusst ich’s doch. Es geht einfach nichts über einen Nonnenarsch, Schwesterlein.«
    Janis biss die Zähne zusammen und unterdrückte ein Schaudern. Der Kerl war ihr widerlich mit seinen gelben, teilweise faulen Zähnen und dem Aroma aus Bier und ungewaschenem Leib, das er ausdünstete, aber die lichterlohe Panik, mit der sie gerechnet hatte, blieb aus. »Überleg dir, was du tust«, raunte sie über die Schulter. »Bischof Bonner ist ein sittenstrenger Hirte, habe ich gehört.«
    »Wohl wahr, wohl wahr«, musste der Sergeant grummelnd einräumen und verstummte dann, so als sei er

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