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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Tier war, das man nie so zähmen konnte wie beispielsweise ein Pferd, und dass er die Hand jedesmal aufs Spiel setzte, wenn er sie durchs Gitter steckte. Er tat es trotzdem immer wieder.
    Jenkins trat ein. »Jesus, hier kann man ja nicht mal aufrecht stehen … Ich bringe Euch Brot und Wein.« Er stellte einen verschlossenen Tonkrug ins Stroh und reichte Nick einen Leinenbeutel.
    Nick atmete verstohlen auf. »Danke.« Er schnürte den Beutel auf, brach ein Stück Brot ab und versuchte, nicht gar zu gierig zu schlingen. »Ich wusste nicht, dass du noch hier bist«, bemerkte er nach zwei Bissen. Jenkins hatte schon im Tower Dienst getan, als Nicks Vater gestorben war, und kam allmählich in die Jahre.
    »Doch, doch«, gab der Yeoman Warder zurück und hockte sich vor ihn ins Stroh. »Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme, aber niemand durfte zu Euch. Ich bin am ersten Tag nach Dienstschluss zu Eurem Schwager Durham gegangen und hab ihm erzählt, was der Constable mit Euch gemacht hat. Ich dachte, so ein mächtiger Mann, ein Stadtrat obendrein, kann vielleicht was machen. Er hat mit dem Lord Mayor gesprochen. Der Mayor mit dem Constable. Sie sind gute Freunde, wisst Ihr.«
    »Das gibt mir Anlass, am Geschmack des Lord Mayor zu zweifeln. Aber wie dem auch sei. Danke, Jenkins. Gott segne dich für deine Güte. Und ich bin zuversichtlich, dass du dich nicht mit Gotteslohn begnügen musst?«
    Er hatte es nicht als Beleidigung gemeint, und Jenkins fasste es auch nicht so auf. »Master Durham hat sich sehr großzügig gezeigt«, räumte er unumwunden ein, und es klang zufrieden.
    Nick verschränkte die Arme um die angezogenen Knie. »Gut.«
    »Ich darf Euch an Essen und Wein bringen, was er oder vielmehr Eure Schwester Euch schickt. Aber wann Ihr hier rauskommt, weiß Gott allein. Der Constable ist … nicht gut auf Euch zu sprechen.«
    »Nein. Das macht nichts. Essen und Wein werden mein Leben leichter machen, denn die Verpflegung hier lässt ein bisschen zu wünschen übrig. Ansonsten komme ich ganz gut zurecht, ob du’s glaubst oder nicht.«
    Jenkins streckte ihm eine dicke, neue Wolldecke entgegen, die er zusammengefaltet unter dem Arm getragen hatte. »Es ist ein Wunder, dass Ihr Euch noch nicht den Tod geholt habt.«
    »Danke. Es wird von Nacht zu Nacht besser. Man merkt, dass der Frühling kommt.«
    Jenkins betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Was habt Ihr nur wieder angestellt? Ich hatte wirklich gehofft, Ihr wärt nach dem letzten Mal klüger geworden. Was ist das nur mit Euch Waringham, dass Ihr meint, Ihr hättet das Recht, Euch gegen den König aufzulehnen? Euer Vater war ein guter Mann und trotzdem ein Verräter. Jetzt Ihr. Ich versteh das nicht.«
    »Nein, ich auch nicht«, räumte Nick vorbehaltlos ein. Er wies nach links, wo die Käfige sich weiterzogen. »Ich nehme an, du kennst den Elefanten?«
    »Natürlich«, gab Jenkins zurück. »Er ist immerzu besoffen.«
    »Hm, weil irgendein Witzbold den Wärtern weisgemacht hat, ein Elefant brauche einen Eimer Wein am Tag. Jeden Morgen wacht er mit einem fürchterlichen Kater auf, spätestens mittags ist er betrunken, und er zertrümmert alles und verbreitet Angst und Schrecken, obwohl er gar nichts dafür kann. Genau so komme ich mir manchmal vor.«
    »Aber Ihr seid ein verständiges Wesen und ein sehr maßvoller Trinker, Mylord«, widersprach Jenkins.
    »Mag sein. Doch genau wie der Elefant stolpere ich durch eine Welt, die ich nicht verstehe und in die ich auch nicht gehöre, und richte in bester Absicht ein Unheil nach dem anderen an.«

London, November 1546
    Der Parder und der Duke of Suffolk waren am selben Tag im Spätsommer gestorben. Nick nahm an, seine Verlegung aus der königlichen Menagerie in sein altvertrautes Quartier im Beauchamp Tower hing eher mit letzterem Ereignis zusammen als mit ersterem, denn er glaubte das, was auch die Wachen tuschelten: Der König hatte nur gewartet, bis Suffolk unter der Erde war, ehe er Lord Waringham den Prozess machen ließ.
    Doch der König hatte ganz andere Sorgen gehabt. Das mühsam und blutreich eroberte Boulogne hatte er nicht halten können, kaum genug Geld gehabt, um die englischen Küsten gegen die drohende französische Invasion zu verteidigen, und im Sommer schließlich einem demütigenden Friedensvertrag zustimmen müssen.
    Je älter und kränker er wurde, desto mehr nahm sein Argwohn den Reformern gegenüber zu, denn im Grunde seines Herzens fürchtete Henry die ewige Verdammnis für seinen Bruch mit der

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