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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zu, wie der das Fleisch mit den Tatzen festhielt und mit den furchteinflößenden Zähnen daran zerrte, und war dankbar für das stabile Gitter zwischen ihnen.
    Am dritten Morgen trank er aus dem Trog. Er wartete ein paar Stunden, und als nichts passierte, trank er ihn leer. Er schöpfte mit den Händen, doch als der Wasserstand dafür zu niedrig wurde, beugte er sich nicht über den Trog, um wie der Wolf und der Parder zu saufen. Er verstand durchaus, dass der Constable ihn hier eingesperrt hatte, um ihm die Würde zu stehlen, aber Nick war eisern entschlossen, sich nicht eher als zwingend notwendig wie ein wildes Tier zu benehmen. Er wusste indessen, dass er heute Abend von dem Fleisch essen würde.
    »… und das Verrückteste von allem ist, dass ich sie jetzt hätte heiraten können. Das heißt, falls es stimmt, was Sumpfhexe mir erzählt hat. Aber mein Gefühl sagt mir, dass es die Wahrheit war, auch wenn ich Mühe habe, mir meinen Vater und Bessy zusammen vorzustellen. Andererseits, warum eigentlich nicht? Er war einsam und unglücklich nach Mutters Tod. Und wenn Bessy als junges Ding so eine Schönheit war wie Polly, wieso soll er nicht bei ihr Trost gesucht haben?«
    Der Wolf fuhr sich mit der Zunge über die Nase und zeigte einen Moment seine Fänge, aber er sah Nick weiterhin aufmerksam an.
    Nick hatte die Hand durchs Gitter gesteckt und kraulte ihn hinter dem Ohr. Das Fell war dicht und herrlich warm. »Jedenfalls, wenn mein Vater mit der Mutter meiner Frau geschlafen hat, dann ist meine Ehe nach kirchlichem Recht inzestuös, und ich kann mich scheiden lassen. Es hätte nicht einmal Folgen für Francis und Eleanor, denn ich müsste einen Antrag beim Bischof stellen, um sie zu Bastarden erklären zu lassen, so wie der König es mit Mary und Elizabeth getan hat. Aber natürlich würde ich das nie tun, und sie blieben meine legitimen Kinder. Seit mir das alles klar geworden ist, habe ich immerzu gedacht: ›Wäre sie doch nur keine Nonne. Dann wäre alles gut. Ich könnte eine anständige Frau aus ihr machen, so wie sie es verdient hätte‹. Jetzt stellt sich heraus, sie ist überhaupt keine Nonne. Sie hat mich angelogen. Kannst du dir das vorstellen? Jahrelang hat sie mir etwas vorgemacht. Warum ?«
    Der Wolf wusste es offenbar auch nicht. Aber das machte nichts.
    »Und das Schlimme ist, dass ich sie immer noch genauso liebe. Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich dir sagen, dass sich im Grunde gar nichts geändert hat. Ist das nicht … erbärmlich? Ich weiß nicht einmal mehr, wer sie eigentlich ist. Ich meine, wenn sie mich in dem Punkt belogen hat, was soll ich denn dann noch glauben? Aber die Wahrheit ist, ich glaube ihr alles. Alles . Wie würdest du einen Kerl wie mich nennen, he? Den König der Toren? Wenn ich daran denke, wie verächtlich ich Henry belächelt habe, weil er sich von Katherine Howard hat an der Nase herumführen lassen. Aber seine Torheit war nichts im Vergleich zu meiner, oder? Jetzt spielt es allerdings keine große Rolle mehr, mein Freund. Denn dieses Mal komme ich hier nicht lebend raus, da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen, weil …« Er brach ab, als der Wolf plötzlich den Kopf von den Pfoten hob und die Zähne fletschte.
    Nick zog schleunigst die Hand zurück durchs Gitter. »Du hast recht, vergib mir. Ich habe dir jetzt lange genug vorgejammert.«
    »Lord Waringham?«
    Nick wandte den Kopf und erkannte eine schemenhafte Gestalt in der Dämmerung. »Jenkins?«, fragte er erstaunt.
    Der alte Yeoman Warder trat näher. »Ja, Mylord. Mit wem habt Ihr geredet?« Er wirkte nervös.
    Nick wies auf den Wolf, der immer noch dicht ans Gitter gedrängt im Stroh lag. »Mit meinem neuen Freund hier.«
    »Oh.«
    »Sei nicht schockiert. Noch bin ich halbwegs bei Verstand, glaube ich. Aber dieser Wolf ist ein exzellenter Zuhörer.«
    »So wie mein Hund«, bemerkte Jenkins und öffnete die Luke. »Nur ist und bleibt ein Wolf ein wildes Tier, Mylord. Der letzte, den wir hatten, war jahrelang zahm und hat dann plötzlich einen der Wärter angefallen.«
    »Würdest du die Wärter so gut kennen wie ich, hättest du mehr Verständnis«, erwiderte Nick und beschloss, Jenkins lieber nicht zu gestehen, dass er und der Wolf seit drei Nächten zusammengedrängt und nur durch das Gitter getrennt schliefen, Nicks Hand in dem weißen Fell vergraben. Der Wolf hielt ihn warm, und die Nähe dieser anspruchslosen, unverdorbenen Kreatur spendete ihm Trost. Er wusste sehr wohl, dass ein Wolf ein wildes

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