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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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damit gegen die Krone aufzuhetzen, reicht völlig.«
    »Ich bin wirklich gespannt, ob die Lords, die über mich richten werden, sich dieser drolligen Rechtsauffassung anschließen.«
    Rich erhob sich, trat ans Fenster und sah auf die verschneite Richtstätte hinaus. »Ihr kommt vor kein Gericht, Waringham. Wir werden einen Attainder gegen Euch beantragen und auch kriegen. Das gleiche gilt für den Duke of Norfolk. Bildet Euch ja nicht ein, Ihr könntet das Parlament zur Bühne Eures tragischen Abgangs machen.« Er wies aus dem Fenster. »Dort unten werdet Ihr enden, und schon tags darauf wird in London kein Hahn mehr nach Euch krähen.«
    Diese Eröffnung verschlug Nick vorübergehend die Sprache. Ein Bill of Attainder war ein parlamentarischer Strafbeschluss, der eine Gerichtsverhandlung wegen der Schwere und Offensichtlichkeit der Schuld überflüssig machte. Früher war er solchen Verrätern vorbehalten geblieben, die man mit der Klinge an der Kehle des Königs oder im Bett der Königin erwischt hatte. Heutzutage, so schien es, reichte es aus, wenn man es versäumt hatte, dem König und seinen Günstlingen regelmäßig die Stiefel zu lecken …
    »Darf ich hoffen, dass das alles war, was Ihr mir zu sagen hattet, Sir Richard?«
    »Noch nicht ganz«, antwortete dieser mit einem kleinen, beinah schuldbewussten Lächeln. »Ich bin vom Kronrat ermächtigt, Euch ein Angebot zu unterbreiten, Mylord.«
    »Tatsächlich? Also bitte. Ich harre.«
    »Wie Ihr zweifellos wisst, fällt Waringham an die Krone, sobald Ihr als Verräter verurteilt seid. Wir sind indes gewillt, auf dieses Recht zu verzichten und Eurem Sohn Land und Titel zu lassen, wenn Ihr unter Eid aussagt, dass Ihr den Plan hattet, den Prinzen zu ermorden, Lady Mary zu heiraten und mit Ihr zusammen den Thron zu besteigen.«
    Nick war nicht sonderlich überrascht. Er hatte geahnt, dass Mary früher oder später ins Spiel kommen würde. Da es bei dieser ganzen Farce nicht nur um die Macht in England, sondern um Glaubenshoheit ging, hatte er gewusst, dass letztlich alles bei Mary auskommen würde.
    Er schüttelte den Kopf. »Mein Sohn wird sich selbst um die Rückgabe von Land und Titel bemühen müssen, wenn er alt genug ist. Ihr könnt dem Kronrat ausrichten, wenn ich zu faulen Kompromissen bereit wäre, hätten sie es in der Vergangenheit schon gelegentlich bemerkt.«
    Richs Miene nahm einen säuerlichen Ausdruck an. »Ich kann Euch auch auf die Streckbank legen lassen, um Euer Geständnis zu kriegen.«
    »Ich weiß. Und womöglich würde ich es Euch sogar geben. Aber alle Welt würde wissen, wie Ihr es bekommen habt, und darum würde niemand es glauben. Wenn Ihr die Treue der Engländer zu Prinzessin Mary erschüttern wollt, braucht Ihr schon etwas Besseres.«
    »Sie ist keine Prinzessin!«, brauste Rich auf. »Und es ist Verrat, sie so zu nennen!«
    Nick schenkte ihm ein Lächeln. »Zu schade, dass ich nur einen Kopf habe, den Ihr abschlagen könnt, nicht wahr?«

London, Januar 1547
    Am Namensfest des heiligen Wulfstan, dem neunzehnten Tag des neuen Jahres, wurde Henry Howard, Earl of Surrey und Erbe des Duke of Norfolk, auf dem Tower Hill hingerichtet.
    Nick stand wie so manches Mal in der Vergangenheit am Fenster seines Quartiers im Beauchamp Tower und schaute zu. Er zählte die Schritte, die der Verurteilte durch die etwas spärliche Menge der Schaulustigen hügelan zurückzulegen hatte, und er zählte die Stufen zum Richtblock, die er erklomm. In gewisser Weise ging er mit ihm. Nicht weil er sich ihm besonders nahe fühlte – er war ihm nie begegnet –, sondern weil er wusste, dass er selbst der nächste sein würde, der diesen Weg zurücklegte.
    Surrey war gefasst, sein Schritt sicher. Er war ein mutiger Mann, der in Henrys sinnlosem Krieg in Frankreich während der letzten zwei Jahre große Taten vollbracht hatte. Und das hier war der Dank. Er sprach kurz mit dem maskierten Henker, kniete sich vor den Block und legte den Kopf darauf. Der Henker ließ ihn nicht warten, holte aus und trennte den Kopf mit einem einzigen sicheren Streich vom Rumpf.
    Keine Abschiedsworte , dachte Nick, während die Kanone drüben auf dem Wehrgang donnerte. Ein würdevoller, aber schweigender Abgang. Demütig und ergeben. So oder so ähnlich waren sie alle gegangen, die hier in den letzten zehn, fünfzehn Jahren auf dem Altar königlicher Willkür geopfert worden waren. Nick gedachte nicht, ihrem Beispiel zu folgen. Er wollte furchtlos in den Tod gehen, falls er das

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