Der dunkle Thron
appellieren.«
Sie ließ ihn nicht aus den Augen. »Vater?«
»Hm?«
»Kann ich nicht … ein eigenes Pony bekommen? Ich würd es auch mit Gladys teilen«, fügte sie hastig hinzu.
Nick legte das Kinn auf ihren Scheitel und antwortete nicht sofort. Es kam so selten vor, dass Isabella ihn um etwas bat. Und ein Pony war nicht teuer. Waringham war indessen wieder einmal in Geldnöten. Dabei konnten die Einkünfte aus dem Gestüt, dem Gutsbetrieb und sogar aus der Schule sich durchaus sehen lassen, aber der Wertverlust des Geldes, der sich während der letzten fünf Jahre galoppierend beschleunigt hatte, zehrte all die schönen Erträge auf. Die immer noch fortschreitende Einfriedung ehemaliger Ackerflächen für die Schafzucht hatte zu einer Verknappung der Getreideernten geführt, wie Thomas More schon vor zwanzig Jahren prophezeit hatte, und die Kornpreise waren in schwindelerregende Höhen geschnellt. Janis und Nick hatten entgegen ihrer scherzhaften Anschuldigungen in Wahrheit nur wenige Kunstgegenstände und Weine auf dem Kontinent eingekauft, dafür umso mehr Getreide, das im Laufe des Sommers geliefert werden und Waringham vor einem Hungerwinter bewahren sollte.
Trotz alledem antwortete er: »Einverstanden. Ich werde mich in Smithfield nach einem Pony für dich und Gladys umschauen.«
Zufrieden legte sie den Kopf wieder an seine Schulter. Isabella war der festen Überzeugung, dass es auf der Welt kein Problem gab, das ihr Vater nicht lösen konnte, und da Nick aus Erfahrung wusste, dass Töchter diesem Irrglauben nur zu schnell entwuchsen, war er entschlossen, Isabella ihre Illusionen so lange zu erhalten, wie er konnte.
Sie hatten mit Francis, Madog, Millicent und Anthony Pargeter zusammen gegessen. Zur Feier des Tages hatten auch Isaac und Isabella an die Tafel kommen dürfen, die ihre Mahlzeiten sonst mit der Amme in der Kinderstube einnahmen, und Nick und Janis hatten von ihrer Reise durch Frankreich und Italien erzählt und die mit Spannung erwarteten Geschenke verteilt: italienische Weine für den Steward und den Lehrer, Pigmente und ein Buch über die Herstellung von Ölfarben für Millicent, ein aufziehbarer hölzerner Löwe für Isaac und für Isabella eine Violine. Nick überreichte sie ihr mit den Worten: »Ich schlage vor, zum Üben gehst du ins Burgverlies.«
Isabella hatte ihren Schatz ehrfürchtig und behutsam an die Brust gedrückt, aber niemand war so selig gewesen wie Francis über seinen venezianischen Falken. Zufrieden hatte Nick im Kreise seiner Lieben gesessen und all die strahlenden Gesichter betrachtet. Und gerade weil er ahnte, dass schwere Zeiten auf sie zukamen und er sich mit dieser Reise nur einen Aufschub ergaunert hatte, dankte er Gott für das Glück dieses Augenblicks.
»Und im eigenen Bett zu liegen ist ein weiterer guter Grund, um Gott zu danken«, bemerkte er und reckte sich wohlig unter den frischen Laken.
Janis legte den Arm über seine Brust und den Kopf auf seine Schulter. »Das ist wahr. Du meine Güte, wenn ich an die Strohsäcke in dem Gasthaus in Reims denke …«
Nick lachte in sich hinein. »Was unsere Schulkinder nur zu einer Lehrerin mit so vielen Flohbissen gesagt hätten?«
»Oder der Hof zu Lord Waringhams Scharmützel mit einer Horde wütender Kühe an einer Furt in der Champagne?«
Sie riefen einander noch ein paar weitere Reiseanekdoten in Erinnerung, die sie der Familie vorenthalten hatten, doch dann wechselte Janis das Thema: »Francis hat dich würdig vertreten, hat Madog mir erzählt. Sicher hat es dem Jungen gutgetan, sich zu beweisen.«
»Hm«, brummte Nick. »Er soll lieber nicht hoffen, dass ich so bald wieder auf den Kontinent reise.«
Janis boxte ihn unsanft auf den Arm. »Vergiss Santiago nicht.«
»Gott steh mir bei …«
»Nächstes Jahr. Du hast es versprochen.«
»Du hörst dich an wie Francis«, neckte er sie. » ›Wann reitest du zu Norfolk, Vater? Du hast es versprochen, Vater‹ …«
Janis hob den Kopf von seiner Schulter und sah ihn an. »Und? Wann tust du’s?«
»Mal sehen.«
»Nick …«
Er legte die Hand in ihren Nacken und küsste sie. »Genug davon, Madam.« Er richtete sich auf einen Ellbogen auf und zog seine Frau näher zu sich. »Lass uns die Rückkehr in unser wunderbar ausladendes Bett feiern, was meinst du?«
Newhall, Mai 1553
Mary sah von dem Brief in ihrer Hand auf und richtete einen äußerst missfälligen Blick auf den Boten, der ihn ihr gebracht hatte.
»Das hat Euer Bruder dem König
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