Der dunkle Thron
kann über Vater wettern, so viel sie will, aber so etwas würde er niemals tun«, murmelte er.
»Hm«, stimmte Millicent zu. »Das hat Eleanor auch gesagt.« Dann entdeckte sie die beiden Yeoman Warders, die ihnen auf Schritt und Tritt folgten, sobald sie den White Tower verließen. Millicent seufzte. »Komm. Unsere armen Schatten werden schon ganz zappelig. Lass uns hineingehen.«
»Meinetwegen. Ich habe Guildford ohnehin versprochen, in seiner Nähe zu bleiben. Ich glaube, er fürchtet sich vor seiner Braut mindestens so sehr wie sie vor seinem Vater. Oder ihrem eigenen.«
Ihre Geiselhaft im Tower war die sonderbarste, von der Francis je gehört hatte. Man hatte ihnen eine kleine, aber einigermaßen komfortable Kammer im Obergeschoss des White Tower zugewiesen. Sie wurden niemals eingesperrt, geschweige denn schlecht behandelt. Sie nahmen mit den Dudleys und deren Gefolge und dem inzwischen fast vollzählig versammelten Kronrat die Mahlzeiten in der großen Halle ein, und Millicent hatte sich bereits beklagt, dass hier jedes Essen ein Festbankett sei und sie aufgehen werde wie ein Hefekloß. Sie spielten Schach oder Karten mit Guildford und seinen Brüdern und den übrigen jungen Leuten, und sie taten so, als sei alles in schönster Ordnung. Aber Francis und Millicent wussten, wie trügerisch dieser Schein war. Es machte Francis schier wahnsinnig, dass er seine Frau in solche Gefahr gebracht hatte. Und ihm wurde ganz elend, wenn er an den quälenden Zwiespalt dachte, in dem sein Vater steckte.
»Lass uns nach oben verschwinden und ins Bett gehen«, raunte er seiner Frau ins Ohr. Denn wenn er die Vorhänge schloss und die erste Schleife an Millicents Überkleid aufschnürte, fielen alle Sorgen von ihm ab, und er vergaß ihre missliche Lage einfach. Zumindest für eine kleine Weile.
Doch sie schüttelte den Kopf. »Eben hast du noch gesagt, wir müssten dem armen Guildford beistehen. Gerade heute darfst du ihn nicht im Stich lassen, Francis. Er ist doch dein Freund.«
Das ist er, dachte Francis, aber er wusste, Guildford Dudley würde keinen Finger rühren, wenn es ihm – Francis – an den Kragen ging. Er hatte einfach nicht genug Rückgrat, um seinem fürchterlichen Vater die Stirn zu bieten. Das hatte nur Robin, aber der war noch immer nicht aus Norfolk zurück.
In der großen Halle des White Tower hatte Jane Grey inzwischen in dem blattgoldverzierten Sessel auf der Estrade Platz genommen. Sie drohte beinah in den Brokatpolstern zu verschwinden, doch Francis fuhr durch den Kopf, dass sie trotzdem würdevoll aussah. Sie hatte die schmalen Hände links und rechts auf die Armlehnen gelegt, und über ihrem Kopf prangte das Wappen der Könige von England.
Guildford stand an ihrer linken Seite und trat von einem Fuß auf den anderen.
»Vielleicht sollte ihm jemand diskret den Weg zum nächsten Abort weisen«, wisperte Millicent.
Francis schüttelte den Kopf. »Madam …«
Jane Greys Eltern hatten an der Seite ihrer Tochter Platz genommen und teilten einen Becher Wein, und Northumberland hatte sich vor der jungen Königin aufgebaut und bekundete: »Hoheit, Ihr scheint nicht recht zu verstehen, was ich sage. Ihr werdet Königin, weil der Kronrat es so beschlossen hat und …«
»Tatsächlich?«, fiel Jane Grey ihm ins Wort. »Letzte Woche habt Ihr mir noch weisgemacht, es sei Gottes Wille und der des Königs.«
»Auch«, stimmte der Herzog hastig zu. »Aber dennoch seid Ihr jung und unerfahren und müsst Euch den Ratschlägen des Kronrats unterordnen: Eine Königin kann nicht allein regieren. Sie braucht einen König an ihrer Seite. Einen gekrönten König.«
Jane blickte zu Guildford, musterte ihn einen Augenblick und wandte sich dann wieder an dessen Vater: »Die Antwort ist Nein, Mylord. Eine Krone ist kein Spielzeug für Knaben.«
»Und ebenso wenig für Mädchen«, gab Northumberland zurück.
»Das hättet Ihr Euch möglicherweise eher überlegen sollen.«
»Jane«, warf ihr Vater ein, leise, aber unverkennbar drohend. »Du solltest lieber nichts sagen, was deine Mutter und mich beschämt.«
Selbst von ihrem Platz nahe dem Eingang konnte Francis sehen, wie Jane die Zähne zusammenbiss und was es sie kostete, ihrem Vater zu trotzen. Aber sie antwortete ruhig: »Ihr alle habt Euch verschworen, mir diese Krone aufzubürden, die ich nicht wollte. Doch nun habe ich eingewilligt, sie zu nehmen, also solltet Ihr Euch besser daran gewöhnen, dass ich fortan Eure Königin bin, Gentlemen.« Sie
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