Der dunkle Thron
richtete den Blick auf ihren Vater, und man hätte meinen können, er sei eine Made, die sie unverhofft in ihrem Brot gefunden hatte. »Die Person der Königin ist sakrosankt. Wer die Hand gegen sie erhebt, ist ein Verräter. Vergesst das nicht, Sir.« Sie stand auf, um zu bekunden, dass diese Debatte vorüber sei. Zu Guildford sagte sie: »Wenn Ihr auch nur in die Nähe meiner Tür kommt, werdet Ihr in Ketten gelegt, teurer Gemahl.«
Und damit schritt sie hinaus.
Die Versammelten starrten ihr ungläubig hinterher, ihrem Vater war gar die Kinnlade heruntergefallen.
»Guildford, geh ihr nach und stimm sie um«, befahl Northumberland.
»Aber, Sir«, protestierte sein Sohn erschrocken. »Ihr habt doch gehört, was sie …«
Sein Vater schlug ihn mit dem Handrücken ins Gesicht. »Wird’s bald!«
Für einen winzigen Moment glomm Rebellion in Guildfords Augen, aber es war genau, wie Francis vermutet hatte: Guildford Dudley fehlte das, was seine blutjunge Frau offenbar besaß. Er verneigte sich wortlos vor seinem Vater und ging mit gesenktem Kopf zur Tür. Als er Francis und Millicent dort im Schatten stehen sah, raunte er: »Ironie des Schicksals, Waringham. Nicht du, sondern ich werde es sein, der hier in einem Verlies vermodert.«
Die Stille, die in der Halle zurückblieb, kam Francis unheilschwanger vor. Die Lords tauschten Blicke und stumme Botschaften, die er nicht verstand, und sie machten ihn nervös.
»Noch trägt sie die Krone nicht«, bemerkte Northumberland schließlich. »Und bevor wir sie ihr aufsetzen, müssen wir sie gefügig machen, Suffolk.«
Jane Greys Vater nickte grimmig. »Das ist leichter gesagt als getan, denn …«
Er unterbrach sich, als der Earl of Arundel und Thomas Cranmer, der Erzbischof von Canterbury, die Halle betraten. Ersterer nickte Francis knapp zu, mit leichtem Unbehagen, so schien es dem jungen Mann, denn in der Vergangenheit hatten die Earls of Arundel und Waringham meist auf freundschaftlichem Fuß gestanden.
Der Erzbischof blieb verwundert stehen. »Waringham? Was in aller Welt tut Ihr hier?«
Francis verneigte sich höflich, denn er bewunderte Erzbischof Cranmer, der die Reform der englischen Kirche geordnet und vollendet hatte. Dann zuckte er die Schultern und wies diskret auf Northumberland. »Seine Lordschaft glaubt, das Wohlverhalten meines Vaters erpressen zu können, indem er meine Frau und mich hier als Geiseln hält, Mylord.«
Cranmer sah stirnrunzelnd zur Estrade. »Was hat das zu bedeuten, Northumberland?«
»Oh, jetzt werdet mir nur nicht zimperlich, Exzellenz. Das können wir uns nicht leisten. In Norfolk erheben sich der Landadel und das Bauerngesindel für Mary Tudor, falls Ihr es noch nicht gehört habt. Wenn es eine bewaffnete Revolte ist, die sie plant, dann wäre Waringham der Mann, der sie anführen könnte. Doch ich nehme an, die Vorstellung, wir könnten ihm den Kopf seines Sohnes nach Kenninghall schicken, dämpft seinen Kampfeswillen.«
Millicent zuckte an Francis’ Seite leicht zusammen, aber sie rührte sich nicht und gab keinen Laut von sich. Francis war stolz auf sie und nahm verstohlen ihre Hand.
Cranmer trat an die Estrade und sah von Northumberland zu Suffolk und wieder zurück. »Seid Ihr von Sinnen, Mann?«, fragte er leise. »Wenn in London bekannt wird, dass Ihr den Jungen hier festhaltet, wird eine bewaffnete Revolte in East Anglia die kleinste unserer Sorgen sein. Die Stadt wird unruhig, Northumberland. Heute früh hat der Bischof von London an Paul’s Cross gepredigt und den Leuten erklärt, warum Mary und ihre Schwester nicht Königin werden können, und das Volk hat ihn niedergeschrien und mit Steinen beworfen. Der arme Ridley musste die Beine in die Hand nehmen und sein Heil in der Flucht suchen.«
Northumberland lauschte ihm voller Schrecken. »Schickt nach dem Lord Mayor«, sagte er zu niemand Bestimmtem. »Er muss die Rädelsführer ausfindig machen und bestrafen. London muss unter allen Umständen auf unserer Seite bleiben.«
»So ist es«, stimmte Cranmer zu und ließ sich unter leisem Ächzen in einen der Sessel an der Tafel sinken. »Darum werdet Ihr den jungen Waringham auf der Stelle gehen lassen. Es nützt sowieso nichts, ihn als Geisel hier zu halten, denn sein Vater ist kein Mann, den man erpressen könnte.«
Northumberland ließ sich die Sache einen Moment durch den Kopf gehen, ohne den Erzbischof aus den Augen zu lassen. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich bin anderer Ansicht. Ihn hier zu behalten nützt
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