Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
der Herbst war die beste Jahreszeit, um Schlachtvieh zu verkaufen, aber Adams Vater war der reichste Bauer von Waringham und hatte es nicht nötig, vor dem Winter seine Viehbestände zu verkleinern.
    »Ich … das weiß ich auch nicht, Mylord«, gestand Adam achselzuckend. »Nicht verboten, oder?«
    »Nein«, räumte Nick ein, verschränkte die Arme vor der Brust und sah Adam unverwandt an.
    »Tja, wenn das alles war, Mylord, dann würd ich gern …«
    »Du hast jetzt in drei Sätzen dreimal ›Mylord‹ zu mir gesagt, Adam. Das ist ziemlich verdächtig. Was ist es, das ich nicht wissen soll?«
    Adam machte große Augen. »Ich verstehe nicht, Mylord.«
    »Viermal. Und du verstehst mich ganz genau.«
    Adam kapitulierte. Mit einem Seufzer ließ er sich gegen das hölzerne Geländer der neuen Brücke sinken. »Wisst Ihr, dass meine Mutter im Frühjahr gestorben ist?«
    »Natürlich. Und es tut mir leid.«
    Adam nickte niedergeschlagen. »Es hat den Alten hart getroffen. Sie ist einfach umgefallen und war tot – noch keine dreißig. Und Vater Ranulf hat gesagt, weil sie gestorben ist, ohne vorher gebeichtet zu haben, ist sie jetzt im Fegefeuer und brennt, bis ihre Sünden alle getilgt sind. Dauert vierhundert Jahre, schätzt er. Und für jede Messe, die Vater für sie lesen lässt, kriegt sie ein Jahr im Fegefeuer erlassen. Also lässt er Vater Ranulf jeden Tag eine Messe lesen, und dann hat sie’s nächsten Sommer überstanden. Nur … das geht ins Geld, versteht Ihr?«
    »Was nimmt Vater Ranulf für eine Messe?«, wollte Nick wissen.
    »Sixpence.«
    Nick traute seinen Ohren kaum. » Sixpence ? Das sind … zehn Pfund für vierhundert Messen!« Das war ein Vermögen. Etwa das, was Adams Vater in einem guten Jahr verdiente, und gute Jahre hatte Waringham schon lange nicht mehr gesehen.
    Adam starrte ihn an, als hätte Nick ihm gerade eröffnet, dass er morgen bei Sonnenaufgang aufgeknüpft werde. »Zehn Pfund?«, wiederholte er mit matter Stimme.
    »Seid ihr denn nicht auf die Idee gekommen, das einmal nachzurechnen?«, fragte Nick ungeduldig.
    »Wir … wir sind Schafzüchter, Mylord. Keine Schulmeister. Niemand bei uns kann lesen und schreiben und erst recht nicht rechnen. Alles, was wir wissen, ist, dass es mehr verschlingt, als wir haben. Vater spricht davon, dass er das Land beleihen muss. Aber wie das geht, wissen wir erst recht nicht, und er hat Angst, übers Ohr gehauen zu werden. Ich hab auch Angst«, gestand er, und mit einem Mal hatte sein Blick etwas Flehendes. »Es ist mein Erbe, das hier Stück für Stück draufgeht. Meine Zukunft. Ich kann Vater ja verstehen. Ich will auch nicht, dass Mutter im Fegefeuer brennen muss, aber … Was soll denn aus uns werden, wenn wir unser Land verlieren? Sollen wir betteln gehen? Ich habe vier Schwestern und zwei Brüder, alle noch zu jung für schwere Arbeit. Sollen sie das Dach über den Köpfen verlieren und verhungern?«
    Nick schüttelte den Kopf. »Dein Vater darf auf keinen Fall so weitermachen. Sag ihm das.«
    »Besser, Ihr redet mit ihm, Mylord. Auf uns hört er nicht. Sobald ich davon anfange, brüllt er mich an. Vater Ranulf hat ihm schreckliche Sachen übers Fegefeuer erzählt. Das macht ihn ganz krank.«
    Nick wurde unbehaglich bei der Vorstellung, zum reichsten, bestangesehenen seiner Bauern zu gehen und ihm Vorschriften zu machen, wofür er sein sauer verdientes Geld ausgeben dürfe und wofür nicht. Er wusste ganz genau, dass er einfach zu jung für solch eine Rolle war. Und ein Gefühl warnte ihn obendrein, dass ihn diese Sache gar nichts anging und er kein Recht hatte, sich in die persönlichen Angelegenheiten der Menschen von Waringham einzumischen. Das Problem war nur, dass sie genau das von ihm erwarteten.
    »Ich werde sehen, was ich tun kann, Adam«, versprach er.
    Der junge Schweinehirte atmete erleichtert durch. »Danke.«
    »Erwarte keine Wunder von mir«, warnte Nick.
    »Natürlich nicht.« Aber Adams Miene verriet, dass er nichts Geringeres erhoffte. Er wandte sich mit einem Lächeln ab, ruckte an seinem Seil, und Jula trottete an seiner Seite über die Brücke.
    Nick schaute ihnen einen Moment nach. Er wusste, dass es letztlich nichts ändern würde, mit dem alten Adam zu sprechen. Er musste das Übel bei der Wurzel packen, erkannte er mit sinkendem Herzen. Er hatte inzwischen zu viele solcher Geschichten gehört.
    Also überquerte er die Dorfwiese mit dem Brunnen und dem alten Pranger, trat zwischen den Bäumen hindurch und gelangte so

Weitere Kostenlose Bücher