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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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auf den morgigen Tag zu verschieben, und stieg weiter nach oben, wo die Kammern lagen, die den Waringham einst als Wohn- und Schlafgemächer gedient hatten. Er betrat den Raum, der, so erinnerte er sich, gleich über dem Rosengarten lag. Ein Rundgang mit der Kerze in der Hand enthüllte ein Bett mit einem mottenzerfressenen Baldachin, einen Tisch und ein paar kostbar bezogene Sessel, einen breiten Fenstersitz mit Kissen darauf und zwei Borde an der Wand – alles mit einer fingerdicken Staubschicht bedeckt. Im Kamin lag kein Holz. Eine fette Spinne hatte ihn zu ihrer Wohnstatt erkoren und war dabei, eine Fliege zu verspeisen, als der Lichtschein auf sie fiel und sie erstarren ließ.
    »Sei gegrüßt, Spinne«, murmelte Nick. »Ich bin der Earl of Waringham. Darum ziehe ich hier ein. Und das heißt, du ziehst morgen früh aus.«
    Er ließ ein wenig Wachs auf den Tisch tropfen und drückte die Kerze darauf fest. Dann sank er achtlos auf einen der staubigen Brokatstühle, verschränkte die Arme auf der staubigen Tischplatte und bettete den Kopf darauf.
    Er erwachte mit steifen, kalten Gliedern, als das erste graue Tageslicht hereindrang. Mit einem unterdrückten Stöhnen stemmte er sich in die Höhe, klopfte sich nachlässig den Staub von den Kleidern und trat ans Fenster, um einen Blick in den Rosengarten hinabzuwerfen. Die letzten Blüten waren längst verwelkt; hier und da sah er Hagebutten rötlich in den Büschen leuchten. Er betrachtete das Rondell mit der steinernen Bank, wo er seinen Vater und Simon Fish bei ihrem konspirativen Treffen ertappt hatte, und überlegte, welch ein schöner Platz für einen Springbrunnen es wäre. Dort wollte er an zukünftigen Sommerabenden sitzen, dem leisen Plätschern lauschen, den Duft der Rosen einatmen und an seinen Vater denken. Ein guter Plan, fand er, aber einer, dessen Umsetzung noch warten musste. Jetzt gab es vordringlichere Dinge zu tun, und als Erstes galt es, seiner Blase Erleichterung zu verschaffen.
    Er fand den Abort in einem Erker im südwestlichen Eckturm des Bergfrieds. Er nahm an, im Geschoss darunter in der Halle gab es noch einen, und doch fragte er sich mit einem verwunderten Kopfschütteln, wie das früher wohl gegangen war mit all den Menschen, die hier gelebt hatten. Auf dem Korridor zog es fürchterlich, und als er in die Kammer auf der Südseite zurückkehrte und die Hände auf die Wand legte, spürte er die eisige Kälte, die die Steinquader abstrahlten. Er kam seufzend zu dem Schluss, dass er sich spätestens im November für diesen verrückten Entschluss verfluchen würde, aber ganz gleich, wie kalt der Winter wurde – jetzt gab es kein Zurück mehr.
    »Du bist genauso wunderlich wie dein alter Herr, Nicholas of Waringham«, murmelte er, trat wieder ans Fenster und versuchte halbherzig, eins der alten Sitzkissen auszuschütteln, aber augenblicklich war er in eine Staubwolke gehüllt und musste husten.
    »Das gleiche hat meine Mutter auch gesagt, Mylord«, bekundete eine Stimme von der Tür. Sie klang amüsiert.
    Nick wedelte mit der Hand den Staub beiseite. »Polly? Was tust du hier?«
    »Euch füttern.« Unaufgefordert kam die junge Magd herein und stellte einen Korb auf den Tisch. Sie tat es behutsam, um keine neuerliche Staubwolke aufzuwirbeln, dann sah sie sich langsam um. »Was für ein Albtraum …«
    Nick kam an den Tisch und nahm in Augenschein, was sie ihm gebracht hatte: Brot, saftigen Käse und dünnes Bier. Er wischte sich die Hände an der Hose ab, nahm einen ordentlichen Schluck aus dem Zinnkrug und fing an zu essen. »Hm. Gut«, murmelte er kauend. Er hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig er war. »Was wird Vater Ranulf dazu sagen, dass du mir das Frühstück bringst statt ihm?«
    Polly, die stirnrunzelnd das Spinnennetz im Kamin begutachtet hatte, wandte sich wieder zu ihm um. »Ich arbeite nicht mehr für ihn.«
    »Wirklich nicht?« Nick lehnte sich an die Tischkante und hielt ihr den Krug hin. »Hier, willst du?«
    »Danke.« Sie nahm einen Schluck. »Ich habe gehört, was Ihr gestern zu ihm gesagt habt. Jedes Wort. Ich hab an der Tür gelauscht, wenn Ihr’s genau wissen wollt. Und da war mir mit einem Mal klar, dass ich nicht länger bei ihm bleiben muss. Ich wollte schon lange weg, aber ich hab irgendwie gedacht, man kommt in die Hölle, wenn man sich weigert, dem Pastor das Haus zu führen. Ihr habt mir gestern die Augen geöffnet, Mylord. Es ist schändlich, wie er die Menschen in Waringham ausnimmt. Und er tut es nicht für

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