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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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löchrig, die Farben verblasst, aber sie wirkten frisch und sauber, genau wie die Bettwäsche. Stroh und getrocknete Kamilleblüten bedeckten die Steinfliesen, der Tisch war gescheuert, Polster und Kissen entstaubt, die beiden Wandborde waren mit Büchern gefüllt. Ein dampfender Zinnkrug Ipogras stand auf dem Tisch.
    Nick setzte sich, schenkte sich ein und legte die kalten Finger um den heißen Becher. »Es ist großartig«, sagte er. »Einladender, als ich mir hätte träumen lassen. Danke, Polly.«
    Sie nickte und sah ihm einen Moment in die Augen. Die ihren waren haselnussbraun, stellte er fest. Ungewöhnlich zu solch einem blonden Angelsachsenschopf, fuhr es ihm durch den Kopf, und dann richtete er den Blick auf seinen Becher.
    »Ich werd Euch Brot über dem Feuer rösten, wenn Ihr wollt, und ich hab Käse. Aber mehr kann ich Euch heute Abend nicht auftischen, fürchte ich«, bekannte die Magd. »Ich wollte Euch drüben aus der Küche das Essen holen, aber Lady Yolanda hat es verboten.« Sie zögerte einen Moment und fuhr dann fort: »Sie lässt ausrichten, wenn Ihr nicht mehr mit ihr und Euren Geschwistern unter einem Dach leben wollt, müsstet Ihr selber sehen, wie Ihr in Zukunft satt werdet.« Hastig stieß sie die Worte hervor, als fürchte sie, er werde wütend werden und seinen Zorn an ihr auslassen – der Botin mit der schlechten Kunde.
    Nick zog eine Braue in die Höhe. Er glaubte kaum, dass Sumpfhexe das Recht zu solch einer Verfügung hatte, denn Waringham gehörte ihm, nicht ihr. Sie hatte als Witwe des Earl bis an ihr Lebensende oder bis zu einer erneuten Heirat Wohnrecht in Waringham und Anspruch auf ein Drittel der – derzeit kaum vorhandenen – Einkünfte. Aber er gedachte nicht, das mit der Magd zu erörtern. Ebensowenig gedachte er, mit seiner Stiefmutter darüber zu streiten, was sie zweifellos wollte. »In dem Fall werden wir die Küche hier in Betrieb nehmen, schätze ich.«
    »Aber Mylord, die Küche da unten ist …«
    »Ein Albtraum, ich weiß.« Er dachte einen Moment nach. »Hör zu, Polly. Such mir eine Köchin. Am besten eine verheiratete, damit es kein Gerede gibt. Sie, ihr Mann und du bringt die Küche auf Vordermann und die Vorratsräume und die Gesindekammern für euch. Und dann zieht ihr als meine Dienerschaft hier ein.« Er war zuversichtlich, dass er sich das leisten konnte, denn Gesinde war nicht teuer. Schwieriger würde es, so kurz vor dem Winter die nötigen Vorräte für einen neu gegründeten Haushalt zu beschaffen. Aber er war fest entschlossen, sich von seiner Stiefmutter nicht erpressen zu lassen. Notfalls würde er sich irgendwo Geld leihen.
    »Meine Mutter und meine Tante Ellen würden wahrscheinlich lieber hier für Euch arbeiten als drüben für Eure Stiefmutter«, bemerkte Polly.
    Aber Nick schüttelte den Kopf. »Sie sollen bleiben, wo sie sind, und sich um meinen armen kleinen Bruder kümmern. Außerdem müssen sie für mich spionieren, damit ich weiß, was Sumpf… Lady Yolanda im Schilde führt.«
    Polly grinste verschwörerisch. Natürlich wusste sie genau, was er hatte sagen wollen – ganz Waringham hatte die hässlichen Spitznamen übernommen, die Laura für ihre Stiefmutter und -schwester ersonnen hatte. »Dann vielleicht meine Cousine Alice und ihr Jim? Die kommen mit ihrem müden Acker und ihren paar Schafen kaum über die Runden.«
    »Frag sie«, stimmte Nick zu. »Jim kann seine Herde an Adam verpachten und mir hier stattdessen helfen, den alten Kasten zusammenzuflicken.«
    Ganz Waringham schüttelte den Kopf, und hinter vorgehaltener Hand sagten die Bauern, der junge Lord Nick sei ein Wirrkopf wie sein Vater. Nur ein verrückter Waringham könne auf die Idee kommen, ein modernes, warmes, trockenes Heim zu verlassen und stattdessen in einer verfallenen, zugigen Burg einen neuen Hausstand zu gründen.
    Doch Nick stellte bald fest, dass er das Richtige getan hatte. Es war eine Erlösung, nicht mehr in ständigem Unfrieden zu leben. Es gab ihm Selbstvertrauen, seinen eigenen Haushalt zu haben, so klein er auch sein mochte. Es gefiel ihm, sein eigener Herr zu sein, und er genoss die ungestörten Abende, die er mit den Büchern seines Vaters am Feuer verbrachte. Manchmal saß er auch stundenlang auf der Bettkante und studierte das Porträt seiner Mutter. Seit er wusste, was Kardinal Wolsey ihr angetan hatte, war die Trauer um sie ebenso neu und tat genauso weh wie die um seinen Vater. Zuerst hatte er es kaum ausgehalten, ihr Gesicht anzusehen, weil

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