Der dunkle Thron
leicht krank werden und verrecken, aber höchstens ein Fünftel der Preise bringen«, wandte Daniel skeptisch ein.
»Ich weiß. Aber sie werden gebraucht . Und zwar in steigender Zahl. Wir müssen bescheiden anfangen, denn ich habe kein Geld, um zusätzliche Tiere zu kaufen. Aber wer weiß. In ein paar Jahren sind die Boxen vielleicht wieder voll, und je größer die Zucht wird, umso geringer sind die Kosten pro Pferd.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Daniel zweifelnd.
»Du musst nur in die alten Abrechnungsbücher schauen. Aus denen geht es eindeutig hervor.«
Der Stallmeister stieß belustigt die Luft durch die Nase aus. »Ich fürchte, mir fehlt dein Glaube an Bücher, ganz gleich welcher Art.«
Und das ist dein Fehler, dachte Nick. Darum sind deine Vorstellungen hoffnungslos überaltert, und darum lernst du nichts dazu. »Nun, ich bin jedenfalls entschlossen, es zu versuchen«, erklärte er. Er wies auf den linken der beiden Zweijährigen, die auf der Koppel standen und grasten, einen hübschen Braunen, der ein gutes Stück kleiner war als sein Altersgenosse. Schon Nicks Urgroßvater hatte geahnt, dass das Zeitalter der Schlachtrösser seinem Ende entgegenging, und begonnen, gute Reitpferde für die ständig steigende Zahl wohlhabender Bürgersleute zu züchten. »Ulysses hat hervorragendes Potenzial, aber Greg hat ihn stümperhaft angeritten. Ich fang noch mal von vorne an mit ihm. Und im Frühjahr bringe ich ihn nach Smithfield und sehe, was er einbringt.«
»Wahrscheinlich lassen sie dich in Smithfield gar nicht auf ihren Markt«, mutmaßte Daniel.
Nick schlug mit der Faust gegen das Gatter, sodass die beiden Pferde schreckhaft zusammenzuckten. »Verdammt, man könnte meinen, du willst überhaupt nicht, dass wir hier wieder auf die Beine kommen«, grollte der junge Lord Waringham.
Der Stallmeister schüttelte den Kopf. »Natürlich will ich das. Aber es ist nicht so einfach, wie du es dir vorstellst. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Daran zweifle ich nicht. Aber vielleicht ist es auch nicht so unmöglich, wie du es dir vorstellst.«
Wie meistens verbrachte er den Nachmittag mit seinem kleinen Bruder in der Bibliothek, und als es dämmerte, gingen sie gemeinsam hinüber in die Halle zum Essen. Für Nick war dies die schlimmste Stunde seiner ausgefüllten Tage.
»Wascht euch die Hände«, forderte Lady Yolanda ihren Sohn und Stiefsohn auf.
Nick hasste es, wenn sie ihn wie einen kleinen Bengel herumkommandierte, aber er gehorchte wortlos, als Bessy ihm die Schale mit dem Rosenwasser brachte, und setzte sich an seinen Platz. Eigentlich hätte ihm jetzt der brokatbezogene Lehnstuhl an der Mitte der Tafel zugestanden, aber er brachte es nicht fertig, neben seiner Stiefmutter zu sitzen. Darum blieb der Platz seines Vaters verwaist. Drei Wochen waren seit der Beerdigung vergangen, und jedes Mal, wenn Nick den leeren Stuhl sah, spürte er etwas, das Ähnlichkeit mit einem Dolchstoß ins Herz hatte.
Bessy trug einen Eintopf aus Kohl und Hering auf, denn es war Freitag.
»Und was hast du heute gelernt, du kleiner Racker?«, fragte Yolanda ihren Jüngsten. »Warst du artig?«
Ray steckte sich hastig einen Löffel in den Mund und warf Nick einen verstohlenen Blick zu.
»Gib Antwort, Raymond«, forderte der große Bruder ihn auf.
»Drei neue Wörter«, teilte der Junge seiner Mutter mit. Es klang verdrossen und kleinlaut zugleich. » Schwere Wörter.«
Yolanda sah stirnrunzelnd zu Nick. »Es geht nicht voran«, bemängelte sie.
Dann versuch du doch dein Glück , dachte Nick wütend, aber er nahm sich zusammen. Um Raymonds willen tat er das immer. Und sobald sein Bruder zu Bett geschickt wurde, fielen die Masken …
»Es wird schon wieder«, sagte er achselzuckend. »Er kann sich im Moment nicht richtig konzentrieren. Er ist noch zu traurig.«
»Das ist keine Entschuldigung«, entgegnete Lady Yolanda. »Vermutlich liegt es eher daran, dass du der Angelegenheit nicht genügend Zeit und Aufmerksamkeit widmest. Du bist ja so unermüdlich mit anderen Dingen beschäftigt.«
»Ich versuche, Waringham vor dem Untergang zu bewahren«, erklärte Nick liebenswürdig.
»Ich sagte dir bereits, dass diese Aufgabe in kompetentere Hände gehört als deine.«
Und woher sollen wir einen Steward nehmen? , hätte Nick gern gefragt. Wie ihn bezahlen? Stattdessen trank er einen Schluck Wein und schaufelte sich mit grimmiger Entschlossenheit einen Löffel nach dem anderen in den Mund. Es war die
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