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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Gott oder den Heiligen Vater in Rom, wie er Euch weismachen wollte, sondern nur für sich. Und als mir das klar war, hatte ich auf einmal keine Angst mehr vor ihm.« Sie hob mit einem verlegenen kleinen Lächeln die Schultern.
    Nick war nicht sicher, ob ihm gefiel, welche Wirkung seine Auseinandersetzung mit Vater Ranulf auf dessen Magd gehabt hatte, denn wie so vielen war auch ihm der Gedanke unheimlich, dass die Heilige Mutter Kirche ihre Autorität verlieren könnte. Denn sie war es, auf der alle weltliche Herrschaft und Ordnung gründeten. Und was geschah, wenn sie in Frage gestellt wurde, hatte man doch in Deutschland gesehen: Kaum hatte dieser fürchterliche Doktor Luther seine Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen veröffentlicht, hatten sich die Bauern erhoben und die unverschämtesten Forderungen gestellt …
    Pollys Lächeln verschwand. »Seid Ihr ärgerlich, Mylord?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Mein Vater war fuchsteufelswild«, bekannte sie, während sie eins der Sitzkissen ergriff und aus dem Fenster hielt, um es behutsam auszuschütteln. »Meine Mutter gar nicht. Ich dachte, sie würde mit dem Rührlöffel auf mich losgehen, aber sie hat nur gesagt, ich soll Euch das Frühstück bringen und mich hier nützlich machen.«
    Gott segne dich, Bessy, dachte er dankbar. »Das war eine großartige Idee. Ich kann hier weiß Gott ein bisschen Hilfe gebrauchen.«
    Polly wandte sich zu ihm um. »Aber was wollt Ihr nur in diesem grässlichen alten Kasten, Mylord?«, fragte sie verständnislos. »Er wird Euch eines Tages noch auf den Kopf fallen.«
    Er ging mit einem unverbindlichen Lächeln darüber hinweg. »Ich werde jetzt einen Rundgang machen und feststellen, wie schlimm die Schäden wirklich sind. Anschließend gehe ich ins Gestüt hinüber. Vor heute Abend bin ich voraussichtlich nicht zurück. Wenn du es bis dahin geschafft hast, diesen Raum hier bewohnbar zu machen, werde ich dich als Magd einstellen, falls du das willst. Ich habe nur eine einzige Bedingung, Polly: Was ich in diesem ›grässlichen alten Kasten‹ suche, ist meine Ruhe. Ich will keine Glucke um mich haben wie deine Mutter, gegen deren Fürsorge ich mich ständig wehren muss. Und wenn ich mir Vorhaltungen und Fragen anhören wollte, hätte ich auch drüben bei meiner Stiefmutter bleiben können. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    Sie senkte den Kopf und knickste wortlos – unverkennbar eingeschnappt.
    Zufrieden wandte Nick sich ab und ging hinaus.
    Es war erschütternd, was ein paar Jahrzehnte Leerstand und Vernachlässigung einem Gebäude antun konnten, stellte er auf seinem Rundgang fest. Er hatte nicht die leiseste Ahnung von Baukunst – erst recht nicht von Burgenbau – und konnte daher nicht beurteilen, ob Pollys Sorge begründet und der Bergfried baufällig war. Die Tatsache, dass der Einsturz des Eckturms ein dreiviertel Jahr zurücklag, der Bergfried aber immer noch stand, machte ihm Hoffnung. Doch durch das Loch in der Mauer und die leeren Fenster konnte jedes Wetter in die Halle gelangen, und die zerborstenen Deckenbalken, die aus den Bruchkanten ragten, wirkten verfault und morsch. Nick wusste, er hatte kein Geld, um auch nur die nötigsten Bauarbeiten in Auftrag zu geben, aber er beschloss, wenigstens die Fenster mit Holzläden verschließen zu lassen. Und er nahm sich vor, Bill Carpenter, den Zimmermann von Waringham, aufzusuchen und ihn zu fragen, ob man die fehlenden Mauerteile mit einer Holzkonstruktion notdürftig ersetzen konnte. Jedenfalls war er fest entschlossen, den Verfall des Bergfrieds aufzuhalten, bis das Gestüt genug Geld abwarf, um ihn wieder richtig instand zu setzen und bewohnbar zu machen.
    Ehe es so weit war, würde er kein sonderlich anheimelndes Zuhause haben, wusste er, und er musste sich vorsehen, dass er sich hier nicht die Schwindsucht holte. Doch als er abends vom Gestüt zurück auf die Burg kam und das Gemach über dem Rosengarten betrat, wurde er angenehm überrascht.
    »Polly … Wie hast du das gemacht? Ich hoffe, nicht mithilfe magischer Kräfte?«
    Sie lächelte ihm keck zu – ihr Groll war offenbar vergessen. »Nur mit Besen, Wasser und Lappen, Mylord«, beteuerte sie. »Na ja, und ein bisschen Hilfe. Mutter und meine Tante Ellen waren den halben Tag hier und haben geschrubbt und geräumt und genäht.«
    Staunend betrachtete Nick sein neues Refugium: Ein lebhaftes Feuer prasselte im Kamin. Vorhänge und Baldachin des Bettes waren gewaschen. Sie waren immer noch

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