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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Rücksicht auf ihre Trauer zu nehmen, nicht wahr?«
    So viel wie sie auf die meine, dachte er. Oder du. »Sei so gut und lass mich vorbei.«
    Louise wich keinen Zoll. »Wenn du dich hier schon als Lord Waringham aufspielst, könntest du auch allmählich anfangen, dich so zu benehmen.«
    Nick verdrehte die Augen. »Bist du jetzt fertig?«
    »Du solltest lieber nicht vergessen, dass meine Mutter hier lebenslanges Wohnrecht genießt.«
    »Was zum Glück nicht für dich gilt.«
    Mit einem siegesgewissen Lächeln warf sie das lange dunkle Haar zurück über die Schulter. »Gott sei Dank bin ich darauf auch nicht angewiesen. Mein Onkel, der Duke of Norfolk, hat mir schon letztes Jahr angeboten, mich bei Hofe unterzubringen. Dein Vater war dagegen. Aber jetzt kann er meiner Zukunft nicht länger im Weg stehen.«
    Nick lächelte bitter. »Dann nehme ich an, du bist froh, dass er tot ist?«
    »In gewisser Weise.«
    Der Zorn schnürte ihm die Luft ab und machte ihn deshalb für einen Moment sprachlos. Vermutlich war es ein Glück, dass er beide Hände voll hatte, denn er war geneigt, sie um Louises Schwanenhals zu legen und zuzudrücken. Dann fand er die Sprache wieder: »Alsdann, Louise. Bonne chance . Ich wette, dein Leben bei Hofe wird abwechslungsreich. Schließlich ist ja allgemein bekannt, dass ›Bruder Norfolk‹ seine Nichten an den Hof holt, um sie dem König ins Bett zu legen, nicht wahr?« Er wusste, es war gehässig, das zu sagen, aber unbestreitbar wahr: Auch Lady Anne Boleyn, die König Henry zur Empörung der halben Welt zu seiner Königin machen wollte, war Norfolks Nichte.
    Doch Louise stürzte sich nicht mit einem Wutschrei auf ihn, wie er angenommen hatte, sondern hob gleichmütig die Schultern. »Wir werden sehen. So oder so werde ich mächtige Freunde finden. Und was immer ich mit ihrer Hilfe tun kann, um dir das Leben zur Hölle zu machen, wird geschehen, Bruder , du hast mein Wort.«
    Nick schüttete ihr seinen Wein ins Gesicht und schleuderte das kostbare Glas mit Macht zu Boden. Das Klirren, mit dem es zerbarst, verschaffte ihm einen Hauch von Erleichterung, und um das Glas tat es ihm nicht leid – Sumpfhexe hatte die kostbaren Trinkgefäße mit in die Ehe gebracht. Ohne ein weiteres Wort wandte Nick sich zur Treppe. Unten betrat er die Küche, wo Bessy und Ellen dabei waren, Ordnung zu schaffen.
    »Ich ziehe in den Bergfried«, teilte er ihnen mit.
    »Ihr tut was ?«, fragte Bessy entgeistert. »Aber der Bergfried ist eine Ruine.«
    »Was du nicht sagst. Seid so gut, sorgt dafür, dass morgen jemand meine Kammer und die Bibliothek meines Vaters ausräumt und mir die Sachen und die Bücher herüberbringt. Aber Vorsicht mit dem Bild meiner Mutter. Sagt meinem Bruder, ich werde nachmittags herüberkommen, um seinen Unterricht fortzusetzen. Aber ich werde keine Nacht mehr unter diesem Dach verbringen, solange Lady Yolanda oder ihre Tochter hier leben.«
    Die alte, eisenbeschlagene Tür quietschte, als er den rechten Flügel aufstemmte, und das Geräusch hallte unheimlich in dem leeren Gemäuer.
    Nick trat über die Schwelle und hielt eine schützende Hand um die Flamme seiner Kerze. Sosehr die Festung ihm auch am Herzen liegen mochte, war er doch nicht erpicht darauf, sich ohne Licht darin wiederzufinden. Dieser Bergfried war über vierhundert Jahre alt. Ungezählte Generationen von Waringham waren hier zur Welt gekommen, hatten ihr Leben innerhalb dieser Mauern verbracht und waren darin gestorben – nicht alle friedlich in ihren Betten.
    Es roch nach feuchtem Stein. Der Wind, der oben ungehindert durch die zerbrochenen Fenster der Halle hereinkam, flüsterte in der Dunkelheit, sodass Nick beinah glaubte, die Stimmen seiner Vorfahren raunten ihm zu, und er erahnte ihre Gestalten in den bizarren Schatten, die die rastlose Kerzenflamme auf die grauen Steinquader der Wände warf.
    Reiß dich zusammen, schärfte er sich ein. Du wirst jetzt nicht kehrtmachen und zurück ins traute Heim zu Sumpfhexe und Brechnuss kriechen …
    Wie um sich selbst den Fluchtweg abzuschneiden, schloss er den schweren Torflügel. Er befand sich in der Vorhalle. Geradeaus ging es zur Küche und den Vorratskammern, doch er wandte sich zur Treppe und stieg langsam die ausgetretenen Stufen hinauf. Die eisernen Fackelhalter entlang der Wand waren rostig und voller Spinngewebe. An der Tür zur Halle hielt er kurz inne und lauschte. Er hörte Rascheln und ein durchdringendes Fiepen. Ratten. Nick beschloss, die Inspektion der Halle

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