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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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keinen Tag älter, Sir«, versicherte der rothaarige Pferdehändler. »Lammfromm, auch unter dem Damensattel. Zwanzig Pfund ist geschenkt, glaubt mir!«
    Der junge Kaufmann nickte, aber mit der gebotenen Skepsis, beobachtete Nick. Überall um ihn herum brüllten Pferdehändler die angeblichen Vorzüge ihrer vierbeinigen Waren in die Welt hinaus, und wie es üblich war, logen sie dabei so schamlos, dass man sich fragte, warum die Balken der umzäunten Koppeln sich nicht bogen.
    Es war der letzte Freitag vor der Karwoche – ein sonniger, aber kühler Frühlingsmorgen. Der Bailiff des Lord Mayor, der mit der Unterstützung zweier Constables das Marktgeschehen überwachte, hatte Nick ans entlegene Nordende des großen, grasbewachsenen Marktplatzes geschickt. Für zwei Pennys hatte Nick von ihm das Privileg erworben, an dieser Stelle, zu der kaum ein Käufer sich verirrte, seinen auf Hochglanz gestriegelten jungen Wallach feilbieten zu dürfen. Nick hatte inzwischen gelernt, dass die Pferdehändler, die nach Smithfield kamen, mit Fäusten und manchmal auch Messern um die besten Plätze kämpften. Oder man konnte den Bailiff und die Constables bestechen, um gleich an der Einmündung der Hauptstraße, da wo die gut betuchten Londoner entlangkamen, seinen Platz zu bekommen. Aber das konnte Nick sich nicht leisten. Also hatte er Ulysses angebunden, ohne Einwände zu erheben, und lerneifrig beobachtet, was um ihn herum geschah.
    »Ist sie trächtig?«, fragte der Kaufinteressent Nicks Konkurrenten von schräg gegenüber und wies auf den runden Bauch der braunen Stute, die apathisch, mit trüben Augen gegen die Morgensonne anblinzelte.
    »Gewiss doch, Sir«, erwiderte der Pferdehändler mit dem gemütlichen Midlands-Akzent und dem unschuldigen Bauerngesicht. »Einem kundigen Pferdenarren wie Euch entgeht aber auch nichts, wie? Das Fohlen kriegt ihr kostenlos als Bonus.«
    »Na ja, das ist ein Wort …« Unentschlossen trat der potenzielle Käufer näher an die Stute, beäugte sie einen Moment argwöhnisch und hob dann die Hände, um ihr ins Maul zu sehen. Eher aus Unkenntnis denn aus Grausamkeit packte er die empfindlichen weichen Lippen mit zu festem Griff, und erwartungsgemäß legte die Stute die Ohren an und schnappte nach seinen ungeschickten Fingern. Er schreckte zurück.
    Der Pferdehändler hob die Hand mit der kurzen Gerte und zog ihr eins über. Dann beteuerte er: »Das tut sie sonst nie , Sir. Nehmt’s ihr nicht übel, sie ist ein bisschen reizbar im Moment, so wie schwangere Weiber eben sind.« Er lachte herzhaft über seinen kleinen Scherz.
    Nick räusperte sich, und tatsächlich schaute der unschlüssige Käufer kurz in seine Richtung. In dem Moment, da ihre Blicke sich trafen, deutete Nick ein Kopfschütteln an und wandte sich fast gleichzeitig ab, um Ulysses’ Kinnriemen zu befingern. Er wusste, wenn sein Kollege aus den Midlands merkte, dass Nick seinem Kunden vom Kauf abriet, konnte er froh sein, wenn er den Pferdemarkt von Smithfield nicht in einem Sarg verließ.
    »Nun, ich werde es mir überlegen«, sagte der Gewarnte.
    »Aber Sir!«, protestierte der Pferdehändler. »So ein Angebot kommt so schnell nicht wieder.«
    »Ich will mich noch ein wenig umschauen«, wehrte der junge Kaufmann ab.
    »Beklagt Euch nicht, wenn Ihr zurückkommt und sie ist weg«, bekam er patzig zur Antwort. »So ein Schnäppchen lässt kein Pferdekenner stehen.«
    Nick konnte sich ein Grinsen ob solcher Unverfrorenheit nicht verkneifen und wandte der Szene den Rücken zu.
    Zwei Stunden vergingen, in deren Verlauf Ulysses viele bewundernde Blicke erntete. Aber niemand blieb stehen, um ihn genauer anzuschauen oder Nick nach seinem Alter zu fragen. Die Leute, die an diesem Ende des Marktes ihre Reit- und Zugtiere kauften, sahen auf einen Blick, dass sie sich ein solches Ross nicht leisten konnten.
    »Du bist hier völlig falsch, Söhnchen«, brummte ein vorbeischlendernder Schmied.
    »Sag das dem Bailiff«, gab Nick zurück, klopfte Ulysses seufzend den Hals und murmelte: »Sei nicht beleidigt. An dir liegt es nicht …«
    »Was verlangt Ihr für dieses Tier?«, fragte eine junge Stimme zu seiner Linken.
    Nick wandte sich um. Es war der ahnungslose junge Kaufmann von vorhin. »Siebzig Pfund, Sir.«
    »So viel?«
    »Er ist es wert.« Das war die reine Wahrheit, aber Nick war gewillt, sich auf fünfzig herunterhandeln zu lassen.
    Der Kaufmann sah unauffällig zu dem Pferdehändler aus den Midlands hinüber, der seine Schindmähre

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