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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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verlange, dass du deine Tochter endlich zur Räson bringst!«
    Oh nein, dachte Nick mit sinkendem Herzen, verneigte sich tief und fragte sich, ob dies hier die Strafe für all die Ketzerschriften war, die er über den Winter gelesen hatte.
    »Was immer sie getan hat, seid so gut und lasst das Kind los, mein Gemahl«, bat die Königin ruhig, mit kühler Höflichkeit. »Ihr brecht ihr den Arm.«
    König Henry schien sie gar nicht gehört zu haben. Er rüttelte am Arm seiner bedauernswerten Gefangenen, sodass sie hin und her geschleudert wurde und um ein Haar das Gleichgewicht verloren hätte. »Sie hat an der Tür gelauscht wie eine neugierige Dienstmagd!«, ereiferte er sich.
    Die Prinzessin war ein halbes Jahr jünger als er selbst, wusste Nick – ein zartes Persönchen wie ihre Mutter, aber anders als diese so dünn wie ein Grashalm. Ihre Miene war voller Trotz, aber in den Augen stand Furcht. Als ihre Blicke sich für einen Herzschlag trafen, zwinkerte Nick ihr verstohlen zu und lächelte, um ihr Mut zu machen.
    »Ich habe Mühe, das zu glauben, Majestät«, entgegnete die Königin. »Denn dergleichen wäre unter ihrer Würde. Mary?«
    Ein wenig ungelenk, weil ihr Vater sie nach wie vor gepackt hielt, knickste sie vor ihrer Mutter. »Das würde ich nie tun, Mutter«, antwortete sie voller Entrüstung, und Nick war geneigt, ihr zu glauben.
    Der König ließ sie plötzlich los, stemmte die Hände in die gut gepolsterten Hüften und sah seine Tochter an. »Nennst du mich einen Lügner?«
    »Nein, Majestät«, gab sie zurück und knickste auch vor ihm. »Nicht Ihr seid indes derjenige, der behauptet, er habe mich beim Lauschen an der Tür ertappt, sondern Lady Anne Boleyn. Ob Ihr ihr glauben wollt oder mir, könnt nur Ihr selbst wissen.« Es klang ziemlich schnippisch.
    »Und warum sollte ich dir glauben?«, konterte ihr Vater.
    »Weil ich Eure Tochter bin, vielleicht? Und die Princess of Wales?«
    »Ich kann mich nicht entsinnen, dir diesen Titel je verliehen zu haben«, gab er zurück. Sein abweisender Tonfall verlieh den Worten etwas wirklich Grausames. Und Henry fügte hinzu: »Im Übrigen mag sich herausstellen, dass du keine Prinzessin, sondern ein Bastard bist.«
    Aber Mary konnte ebenso gut austeilen wie ihr Vater: »Nun, das muss meine Aussichten auf den Thron nicht unbedingt schmälern, nicht wahr, habt Ihr doch lange genug damit geliebäugelt, den Bastard zu Eurem Erben zu erklären, den dieses Luder Bessy Blount Euch geboren hat!«
    Die Königin zog erschrocken die Luft ein.
    Henry hob die Rechte. Groß wie ein Tennischläger , fuhr es Nick durch den Kopf, und ohne jeden bewussten Entschluss warf er sich zwischen die Prinzessin und die niederfahrende Hand. Er verstand überhaupt nicht, warum er das tat, und er wusste, dass es vermutlich von all den vielen Dummheiten seines Lebens die schlimmste war, aber als er zu Boden ging, war er froh, dass er sich keine Zeit zum Nachdenken gelassen hatte. Denn die Ohrfeige fühlte sich tatsächlich so an wie eine schwungvolle Vorhand. Viel zu hart für ein Mädchen , dachte er. Der König mochte allmählich ein wenig aus dem Leim gehen, aber er verfügte immer noch über die Kräfte eines lebenslangen Turnierkämpfers, Ringers und Jägers.
    Henry schien den Besucher seiner Gemahlin jetzt zum ersten Mal wirklich zur Kenntnis zu nehmen. Mit einem beinah komischen Ausdruck der Verwirrung sah er auf ihn hinab, als frage er sich, woher der junge Mann so plötzlich gekommen war. »Wer seid Ihr?«, knurrte er.
    Nick stützte sich auf einen Ellbogen und sah zu ihm hoch. »Nicholas of Waringham, Majestät.« Er wusste nicht, ob er aufstehen durfte oder nicht, also blieb er, wo er war. Vermutlich gefiel es Henry insgeheim, seine Lords vor sich am Boden kriechen zu sehen …
    Die ohnehin schon kleinen Augen des Königs verengten sich noch weiter, doch gelang es ihm nicht, zu verbergen, was ihm durch den Kopf ging. Nick sah, dass sein Name dem König einen gehörigen Schreck eingejagt hatte. Der Schrecken verwandelte sich in Scham, Scham in Wut. »Und wie alle Waringham liebt Ihr nichts mehr, als Euch in Dinge einzumischen, die Euch nichts angehen, nicht wahr?«, versetzte er.
    »Ich bitte um Vergebung«, erwiderte Nick, aber jeder konnte hören, dass seine Zerknirschung sich in Grenzen hielt.
    »Lords, die sich gegen den Willen ihres Königs auflehnen, gehören in den Tower«, stellte Henry fest und ließ ihn nicht aus den Augen.
    So wie mein Vater? , lag Nick auf der Zunge,

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