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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Kaminbesen zusammenfegte.
    » Sie war der dritte Grund, warum ich Euch hergebeten habe«, eröffnete die Königin Nick schließlich.
    »Prinzessin Mary?«, fragte er erstaunt. »Warum?«
    »Habt Ihr nicht gehört, was der König gesagt hat?«
    Doch, Nick hatte es gehört. Und es war keine Überraschung gewesen: Wenn Henry seine Gemahlin wirklich verstieß und Anne Boleyn heiratete, musste er Mary zum Bastard erklären lassen, damit die Söhne, die Anne ihm schenkte, ihm auf den Thron folgen konnten. Das wusste jeder in England, und ganz gewiss wusste Mary es selbst. Aber was in aller Welt hatte er damit zu tun? »Ganz gleich, was geschieht, Majestät, der König wird doch gewiss dafür Sorge tragen, dass es Eurer Tochter nie an irgendetwas mangelt«, sagte er zaghaft.
    »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie er sie vergöttert hat, als sie klein war«, antwortete sie kopfschüttelnd. »Sie war so ein sonniges kleines Mädchen. Seine ›Perle‹ nannte er sie. Und eine Weile sah es so aus, als solle sie meinen Neffen, den Kaiser, heiraten. Mir war der Gedanke nicht lieb, denn er ist ihr Cousin ersten Grades, aber der König war ganz vernarrt in die Vorstellung. Und ich weiß, der Gedanke, dass sein Enkel eines Tages das größte Reich beherrschen würde, das es je gegeben hat – in der Alten und der Neuen Welt –, hat ihm so gut gefallen, dass es ihn darüber hinweggetröstet hat, keinen Sohn zu haben.« Sie hob seufzend die schmalen Schultern. »Aber mein kaiserlicher Neffe brach den Vertrag und heiratete meine Nichte Isabella von Portugal. Es war nicht Marys Schuld. Sie war ja noch ein Kind. Genau das war das Problem: Der Kaiser brauchte ebenfalls einen Erben und konnte nicht darauf warten, dass seine kleine englische Braut heiratsfähig wurde. Also nahm er Isabella. Und von der Stunde an, da die Nachricht uns erreichte, grollte Henry unserer Tochter. Als hätte sie seinen Traum von der Weltherrschaft seines Enkels zerstört.«
    Wie typisch für ihn, dachte Nick verächtlich.
    »Ich danke Gott dafür, dass mein Kind so stark ist«, fuhr Catalina fort. »Sie zerbricht nicht daran, dass ihr Vater sich von ihr abgewandt hat. Aber als er eben gesagt hat, dass sie sich Lady Anne zur Freundin machen müsse – in ihrem eigenen Interesse –, da wusste ich, dass meine schlimmste Befürchtung sich erfüllen wird.« Sie sah Nick in die Augen. »Er wird sie mir wegnehmen. Er wird mich irgendwo in die Provinz verbannen und meine Tochter den Boleyns ausliefern.«
    »Aber … warum?«, fragte Nick verständnislos.
    Sie schüttelte wortlos den Kopf, und es war beklemmend mitanzusehen, wie sie die Tränen zurückdrängte, damit er sie nur ja nicht sah.
    Aber sie musste gar nichts erklären. Nick fand die Antwort selbst: Henry wollte die Königin und die Prinzessin dafür büßen lassen, dass sie seine Erwartungen nicht erfüllt hatten. Jede hatte ihn auf ihre Art enttäuscht. Genau wie Vater , ging Nick auf. Und König Henry zu enttäuschen konnte unabsehbare Folgen haben …
    »Wenn es dazu kommt, Lord Waringham, dann wird die Prinzessin einen Freund brauchen«, sagte die Königin. »Wollt Ihr dieser Freund sein?«
    Nick wollte nichts auf der Welt weniger. Sie hatte ihm gefallen, diese verwegene Prinzessin mit dem spanischen Temperament, aber er hatte wirklich genug eigene Probleme, vielen Dank. Und als Marys Freund würde er genau da landen, wo er nie hatte sein wollen, in der Welt des Hofes und der Politik. In der Welt, die zuerst seine Mutter und dann seinen Vater umgebracht hatte. Aber wie sagte man »Nein« zu einer verzweifelten, einsamen Königin?
    »Ja, Majestät. Natürlich werde ich ihr Freund sein.«
    »Ihr müsst es mir schwören«, bat sie ihn, und ihr Blick hatte etwas Flehendes.
    Also schwor er.

Waringham, April 1530
    Den Kopf voller Eindrücke und Neuigkeiten aus der großen Stadt und die Taschen voller Geld, kam Nick am Sonnabend nach Ostern heim. Früher war dies der aufregendste Tag des Jahres in Waringham gewesen, dem alle Bewohner entgegenfieberten: der Tag des Jahrmarkts und der Pferdeauktion, da die große, weite Welt in dieses verschlafene Nest im Herzen von Kent gekommen war – Ritter und Edelleute, um die kostbaren Waringham-Rösser zu bestaunen und zu kaufen, Händler, Gaukler, Huren und Scharlatane aus dem ganzen Land, um den Markt mit Leben zu füllen. Doch jetzt war es ein Sonnabend wie jeder andere.
    Vor dem Stallgebäude im Innern der Burgmauer glitt Nick aus dem Sattel. Der alte

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