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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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gibt es so gut wie niemanden mehr, der noch wagt, die Wahrheit auszusprechen. Aber Ihr seid unberührt von der Verkommenheit und Korruption dieses Hofes, und Ihr seid ein Waringham, die dafür bekannt sind, eine manchmal fatale Neigung zur Wahrheit zu haben. Und ich wollte Euch sehen, weil ich mich oft sehr einsam fühle und gerade dann Eure Mutter und Euren Vater vermisse. Das war, wie ich zugebe, selbstsüchtig von mir. Doch ich versichere Euch, es war nicht meine Absicht, Euren Kummer mit meinen Reminiszenzen zu verschlimmern.«
    Er hatte den Blick zum Kamin gewandt, damit sie nicht sah, wie aufgewühlt er war, aber er hob abwehrend die Linke. »Das habt Ihr nicht. Ich war nur nicht darauf vorbereitet. Ich habe nie gewusst, dass Ihr meiner Mutter nahegestanden habt. Mein Vater … hat nie über sie gesprochen, darum weiß ich so gut wie gar nichts. Und jedes Mal, wenn ich etwas Neues über sie erfahre, trifft es mich wie ein Schock, das ist alles.«
    »Dann … lasst uns auf ihr Andenken trinken«, schlug Catalina vor.
    Er schaute sie wieder an. Sie hielt ihr Glas bereits in der Hand. Er hob ihr das seine entgegen und dachte fassungslos: Süßer Jesus, ich trinke ein Glas mit der Königin von England .
    Catalina nahm nur ein Schlückchen und stellte ihren Pokal sogleich wieder ab. »Bevor ich in dieses Land gebracht wurde, um Prinz Arthur zu heiraten, kamen gelehrte Männer aus England an den Hof meiner Mutter und unterwiesen mich in englischen Sitten. Einer sagte, in England trinke man Wein statt Wasser. Ich habe es nicht geglaubt, und ich habe mich bis heute nicht so recht daran gewöhnt.«
    »Der Hof Eurer Mutter?«, wiederholte er verständnislos. »War sie eine … regierende Königin?« Er sagte es zögernd, weil er nicht sicher war, ob es nicht anstößig klang.
    Catalina schlug die kleinen Hände zusammen, und für einen Moment sprühten ihre Augen vor Lebhaftigkeit. »Ach du meine Güte, wer hat Euch in Geschichte unterwiesen, Waringham? Meine Mutter war die Königin von Kastilien. Mein Vater der König von Aragon. In der ganzen Welt nennt man sie die ›katholischen Majestäten‹. Der Heilige Vater hat ihnen diesen Titel verliehen – und zwar meinem Vater und meiner Mutter –, denn sie haben die Mauren aus Spanien gejagt. Granada fiel, als ich sieben Jahre alt war. Meine frühe Kindheit habe ich in Heerlagern und Festungen verbracht.« Sie lächelte flüchtig bei der Erinnerung. »Ja, meine Mutter war eine Königin aus eigenem Recht. Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass das niemals eine ideale Lösung sein kann, denn die Frau ist nun einmal schwächer als der Mann und leichter vom rechten Pfad abzubringen. Aber meine Mutter war der beste Beweis, dass eine weise Königin es versteht, diesen Mangel auszugleichen, indem sie die richtigen klugen Männer als ihre Berater auswählt. Meine Mutter war ein besserer Herrscher und Feldherr als mein Vater, wenn Ihr die Wahrheit wissen wollt. Und darum finde ich es … wirklich sehr schwer zu begreifen, dass der König sein Seelenheil und den inneren Frieden seines Reiches aufs Spiel setzen will – von unserem persönlichen Glück ganz zu schweigen –, nur weil unser kleiner Henry damals starb und wir keinen Sohn haben.« Sie verstummte abrupt. Vermutlich konnte sie ihrer Stimme nicht trauen. Aber dann sammelte sie sich mit wahrhaft königlicher Selbstdisziplin und fuhr fort: »Es war Gottes Wille. Und mir scheint ganz klar und offensichtlich, dass unsere Mary einst Königin werden soll, so wie ihre Großmutter. Doch mein armer Henry kann nicht daran glauben und lehnt sich auf gegen Gott und seinen Ratschluss. Er behauptet, unsere Ehe sei Sünde und Gott strafe uns mit Kinderlosigkeit. Was für ein Unfug.« Ihre Stimme war voller Nachsicht. »Aber viele glauben diesen Unfug, weil es politisch ratsam erscheint.«
    »Und vor allem gesünder«, stimmte Nick mit unterdrückter Heftigkeit zu. »Mein Vater ist das beste Beispiel.« Dann erinnerte er sich endlich, dass sie nicht allein waren, und warf einen Blick in die Schatten auf der Fensterseite des großen Gemachs.
    »Oh, seid unbesorgt«, sagte Catalina. »Lady Jane ist loyal und verschwiegen. Wie alle Seymours.« Nick sah die Zähne der Hofdame aufleuchten, als sie sich vom Fenstersitz erhob und lächelnd vor der Königin knickste, um sich für dieses Lob zu bedanken. »Fahrt fort, Waringham«, forderte Catalina ihn auf. Es war ein seltsamer Tonfall, wohlwollend und befehlend zugleich. »Das

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