Der dunkle Thron
Stallknecht, der die wenigen Pferde hier oben auf der Burg versorgte, kam aus dem Tor geschlurft. »Mylord.«
»Paul«, grüßte Nick und schnallte die Satteltasche los. »Was machst du für ein griesgrämiges Gesicht? Plagt dich das Kreuz wieder?« Und er dachte: Es wird Zeit, dass wir einen Nachfolger für dich finden.
Doch der Alte schüttelte den Kopf. »Viel zu still heute hier«, erklärte er finster. Die älteren Einwohner von Waringham verfielen am Wochenende nach Ostern regelmäßig in Schwermut.
Nick hingegen vermisste nichts, weil er keine Erinnerungen an das bunte Spektakel hatte. Und wie allen jungen Menschen ging ihm die Nostalgie der Älteren, die ewig nur »die guten alten Zeiten« priesen, auf die Nerven. Um das Thema zu wechseln, klopfte er der jungen Fuchsstute den Hals. »Was sagst du zu ihr?«, fragte er mit unverhohlenem Stolz.
Paul streifte sie mit einem Blick und brummte abschätzig. »Rouncey.« Es war ein Begriff, der allmählich aus der Mode kam. Er bezeichnete keine bestimmte Rasse, sondern ein Pferd von mittlerer Größe und gehobener Qualität, das als Reittier ebenso wie als Kriegspferd Verwendung fand. Doch in Waringham war es ein Schimpfwort. »Nichts im Vergleich zu den Destrier und Courser , die Euer Großvater noch gezüchtet hat, Mylord.«
»Nun, ich werde sie trotzdem in die Zucht nehmen. Sie ist ausdauernd und schnell und hat Temperament. Beste Anlagen für das, was ich hier vorhabe.«
Paul verdrehte die Augen.
Nick gab vor, es nicht zu bemerken. »Ihr Name ist Clarissa.« Das sei italienisch, hatte der Flame in Smithfield ihm erzählt, bei dem Nick die Stute erstanden hatte. Nick nahm an, es stimmte, denn es klang wunderbar exotisch, und er hatte beschlossen, eine neue Tradition zu beginnen und den Pferden seiner Zucht in Zukunft italienische Namen zu geben. Alles, was aus Italien kam, galt als modern und erstrebenswert. Es würde seine Geschäfte beflügeln, hoffte er. Aber er wollte lieber nicht hören, was der alte Paul zu solch einer Idee zu sagen hatte. »Reib sie ordentlich ab und gib ihr reichlich Hafer, hörst du.«
Der Stallknecht nickte. »Bisschen mager, he?«
»Allerdings. Wir müssen sie schnell aufpäppeln. Morgen lass ich sie decken.«
Paul blickte unwillkürlich zum Schweif des Tieres, wo man meist ablesen konnte, ob eine Stute »rossig« war oder nicht. Clarissa zeigte keins der typischen Anzeichen. Aber Paul gab keinen Kommentar ab. Er wusste, wenn ein Waringham sagte, der Zeitpunkt sei richtig, dann war das meistens auch der Fall. »Soll ich sie morgen früh ins Gestüt runterbringen?«, erbot er sich.
Aber Nick schüttelte den Kopf. »Das mache ich selbst.«
Er schlang sich die Satteltasche über die Schulter und ging zum Bergfried hinüber. Das teilweise verkleidete Holzgerüst, mit dem Bill Carpenter die eingestürzte Ecke gestützt und den Bergfried über den Winter gerettet hatte, machte den alten Kasten nicht gerade hübscher, musste Nick einräumen. Es war ein grob gezimmertes Konstrukt aus rohen Stämmen, die allmählich eine gräuliche Farbe annahmen. Aber es hatte seinen Zweck erfüllt.
Oben im Gemach über dem Rosengarten fand er Jerome Dudley bei einem späten Mittagessen.
»Waringham!«, rief der junge Mann erfreut aus. »Ich war im Begriff, eine Suchmannschaft nach dir auszuschicken. Deine Stiefmutter fing schon an zu hoffen, du seiest in London unter die Räder gekommen und auf Nimmerwiedersehen verschollen.«
Nick erwiderte das Grinsen, ließ sich in einen Sessel Jerome gegenüber fallen und nahm sich ein Stück Brot. »Im Gegenteil. Ich habe richtig gute Geschäfte gemacht: Ulysses verkauft – an »Bruder Norfolks« Stallmeister, übrigens –, eine neue Zuchtstute erstanden, auf die ich große Hoffnungen setze, und drei Londoner Gentlemen gegen Bezahlung beim Kauf ihrer Gäule beraten.« Er holte den prallen Geldbeutel aus der Satteltasche und schob ihn über den Tisch.
Jerome kippte ihn aus, sortierte und stapelte die Münzen mit der Linken, während er mit der Rechten weiter kaltes Huhn und Brot verspeiste. »Du meine Güte, Nick. Das sind fast dreißig Pfund.«
Nick lächelte stolz. »Norfolks Stallmeister hatte sich so in Ulysses verliebt, dass er ein bisschen mehr ausgelegt hat, als strikt nötig gewesen wäre. Und du glaubst einfach nicht, wie bereitwillig die Londoner Pfeffersäcke Geld für einen uneigennützigen Rat beim Pferdekauf bezahlen. Das ist die reinste Goldgrube.«
»Und nächste Woche ist Hock-Day«,
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