Der dunkle Thron
aber nicht einmal er war verrückt genug, um das auszusprechen. Ehe ihm eine unverfänglichere Antwort eingefallen war, erlöste Prinzessin Mary ihn aus seiner misslichen Lage: »Ich bitte Euch, nicht zu vergessen, dass ich diejenige war, die Euren Zorn erregt hat, Majestät.« Sie hatte die Hände vor dem Rock verschränkt und demütig den Kopf gesenkt. »Und das bedaure ich von Herzen. Wenn Ihr …«
»Du brauchst gar nicht schönzutun«, unterbrach ihr Vater sie barsch. »Ich kann dir nur raten, deine Kampagne gegen Lady Anne einzustellen und endlich Freundschaft mit ihr zu schließen, wie sie es dir seit Monaten mit mütterlicher Geduld anbietet. Das liegt in deinem eigenen Interesse, glaub mir.«
Damit wandte er sich ab, ging hinaus und warf krachend die Tür zu. Nick atmete verstohlen auf und kam auf die Füße.
Prinzessin Mary lächelte ihm scheu zu. »Habt Dank, Mylord.«
Nick verneigte sich schon wieder. »Keine Ursache … Mylady? Hoheit? Madam?«
Sie legte eine schmale, blasse Hand vor den Mund und kicherte – ein eigentümlich unbeschwerter Laut in der bleiernen Atmosphäre, die der König zurückgelassen hatte. »Sucht Euch eines aus, alle drei sind zulässig«, erklärte sie. Dann wurde sie wieder ernst. »Ich bin allerdings nicht sicher, ob Eure große Ritterlichkeit nicht auch eine große Torheit war.«
Nick war geneigt, sich dieser Meinung anzuschließen, denn seine linke Gesichthälfte fühlte sich an, als wolle sie jeden Moment in winzigen Scherben zu Boden bröckeln. »Sagen wir, eine kleine Ritterlichkeit und eine kleine Torheit«, schränkte er lächelnd ein und wandte sich an die Königin in der Hoffnung, dass er nun endlich verschwinden durfte.
Catalina, stellte er erschrocken fest, war kreidebleich auf ihren Stuhl gesunken und sah unverwandt zu ihrer Tochter. Auch die Hofdame, die im Gegensatz zu Nick klug genug gewesen war, sich aus dieser stürmischen Familienzusammenkunft herauszuhalten und im Schatten zu warten, hatte offenbar gemerkt, dass der Königin nicht wohl war, eilte herbei und beugte sich über sie. »Majestät? Wollt Ihr nicht vielleicht noch einen kleinen Schluck Wein trinken?« Sie hob den Glaspokal an und hielt ihn ihr hin.
Catalina nickte, nahm das Glas und trank, und dann rutschte ihr der schwere Pokal aus den Fingern und zerschellte auf den Bodenfliesen.
Prinzessin Mary fuhr zusammen. »Ach herrje, das schöne venezianische Glas.« Sie trat zu ihrer Mutter und ergriff ihre Hand. »Alles in Ordnung, Mamita ?« Nicht nur die Anrede, auch der Tonfall war weit weniger förmlich als in Gegenwart des Königs.
Catalina rang sich ein Lächeln ab. »Natürlich, mein Kind. Du und dein Vater habt mir einen Schreck eingejagt, das war alles.«
Mary hob trotzig das Kinn. Es war das Kinn ihrer Mutter, fiel Nick auf. Auch die großen, braunen Augen glichen Catalina, selbst wenn die Prinzessin insgesamt viel weniger südländisch aussah mit ihrem dunkelblonden Haar und der hellen Haut. »Ich habe nicht an seiner Tür gehorcht. Mich interessiert nicht, was sie einander zuflüstern.«
»Ich weiß«, antwortete ihre Mutter nachsichtig. »Aber du musst versuchen, Haltung zu bewahren, Mary. Bring ihn nicht gegen dich auf. Und sie auch nicht. Du spielst ihr nur in die Hände, wenn du dich gehen lässt und den König verärgerst. Versprich mir, dass du dich in Zukunft besser beherrschst. Widersprich ihm nicht und sei duldsam und gehorsam, wie eine Tochter es sein sollte. Und wenn er dich zu Unrecht tadelt, denke daran, dass Gott die Wahrheit kennt. Und allein darauf kommt es an.«
Mary hatte ihr mit unwillig gerunzelter Stirn gelauscht. Jetzt führte sie die Hand ihrer Mutter kurz an die Lippen, ließ sie dann los und versprach seufzend: »Ich werde mich bemühen, ich verspreche es. Ach, warum kann ich nicht so langmütig und nachsichtig sein wie du?«
»Du könntest es lernen«, schlug ihre Mutter vor. »Geh zur Beichte. Das ist immer ein guter Anfang. Und jetzt sei so gut und lass mich noch einen Moment allein mit meinem Gast.«
Mary nickte bereitwillig und lächelte Nick zu. »Lebt wohl, mein furchtloser Ritter. Ich hoffe, ich sehe Euch bald wieder.«
Nick fühlte seine Wangen heiß werden und verneigte sich tiefer, als nötig war, damit sie es nicht sah. »Lebt wohl, Hoheit.«
Mary schloss die Tür mit deutlich weniger Schwung als ihr Vater, und sie ließ eine lange Stille zurück, in der nichts zu hören war als das leise Klirren der Glasscherben, die Lady Jane mit dem
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