Der dunkle Thron
gar nichts mehr trinken. Vater Ranulf wird mich strafend genug ansehen, wenn ich ihm morgen früh meine Tochter zur Taufe bringe, selbst wenn ich nicht sternhagelvoll bin …«
Johns Lachen klang tief und warm. »Das ist bestimmt ein weiser Entschluss.«
»Die Köchin war die Frau, die dir geholfen hat, also ist der Herd vermutlich kalt, und es wird nur Brot und Schinken oder Ähnliches geben.«
Nick trat zur Tür, aber ehe er öffnen konnte, klopfte es, und Jim trat über die Schwelle, beladen mit einem vollen Tablett.
»Oh, dich schickt der Himmel, Mann«, bemerkte Nick mit Befriedigung: Jim brachte wie erwartet Brot und Wurst, aber dazu Käse, ein Brathühnchen und einen halben Apfelkuchen, der noch dampfte. »Mit den besten Grüßen aus der Küche von drüben, Mylord«, erklärte er augenzwinkernd. »Lady Yolanda weiß allerdings nichts von ihrer Großzügigkeit.« Er stellte die guten Gaben auf dem Tisch ab, nickte dem Gast höflich zu und verschwand wieder.
»Greif zu, John«, lud Nick seinen Cousin ein, zückte sein Messer und schnitt eine Keule vom Hühnchen.
Der Arzt folgte seinem Beispiel. »Du hast einen bemerkenswert informellen Haushalt für einen Earl«, befand er. Es war unmöglich zu erraten, was er von dieser Erkenntnis hielt.
Nick hob die Schultern und erwiderte: »Jim und ich werkeln seit Jahren zusammen an diesem hoffnungslos verfallenen alten Kasten herum. Es ist ein unendliches Projekt. Oft nehmen wir uns zu viel vor oder überschätzen uns und scheitern.« Er verzog den Mund zu einem selbstironischen Lächeln. »Das verbindet.« Er nahm sich noch ein Stück Hühnchen.
»Verstehe.« John tupfte sich die Lippen mit seinem Taschentuch ab und trank einen Schluck Wein. »Und denk nicht, ich sei pikiert. Ich hatte es mir nur anders vorgestellt, das ist alles. Um dir die Wahrheit zu sagen, ich habe mich beinah nicht hergetraut vor lauter Ehrfurcht.«
Nick gluckste. »Ach du meine Güte. Vermutlich bist du insgeheim enttäuscht. Aber auch wer hochnäsiges adliges Getue sucht, kann in Waringham auf seine Kosten kommen. Du musst nur einmal über den Hof.«
John nickte. »Ich hatte bereits das Vergnügen.«
Nick sah ihn einen Moment neugierig an, fragte aber nicht. Stattdessen sagte er: »Nun, ich freue mich jedenfalls, dass du gekommen bist. Seit mein Vater tot ist, habe ich viel an die Verwandten gedacht, die Laura und ich im Norden und in Wales noch haben müssen. Wer … ähm, wer genau bist du?«
»Mein Vater war Harry of Waringham, der jüngste Bruder deines Großvaters. Ein paar Jahre nach der Schlacht von Bosworth bekam er vom alten König Henry ein Lehen in der Nähe von Ripley in Cheshire. Er starb vor zehn Jahren, an meinem achtzehnten Geburtstag. Da war ich schon in Oxford. Und dort blieb ich auch, denn ich bin der Jüngste, und das Lehen musste meinen Bruder ernähren und Mitgiften für meine beiden Schwestern abwerfen. Also schien es mir weise, etwas Anständiges zu lernen. Nach dem Studium ging ich nach York, trat als Gehilfe in die Praxis eines alten Quacksalbers ein und … na ja, lernte mein Handwerk, könnte man wohl sagen. Vor zwei Monaten ist er gestorben, und seine Tochter und sein Schwiegersohn haben mich von heute auf morgen vor die Tür gesetzt, weil sie das Haus selbst bewohnen wollten.« Er zuckte unbekümmert die Schultern. »Ich hätte mich auf eigene Faust in York niederlassen können, aber ich dachte, es sei vielleicht der richtige Zeitpunkt, auf Wanderschaft zu gehen und ein bisschen mehr von der Welt zu sehen. Und hier bin ich.«
Nick hatte ihm mit Interesse gelauscht. »Du hast den Namen Waringham abgelegt?«
»In der akademischen Welt haben alte Namen keine große Bedeutung«, erklärte John. »Ich wollte nicht, dass irgendwer glaubt, ich wolle mir aufgrund meiner Abstammung Vorteile verschaffen, die ich nicht ehrlich erworben habe.«
»Und so wurdest du Doktor Harrison.« Nick dachte einen Moment nach und fügte schließlich hinzu: »Ich führe ein Leben, über das die meisten unserer Vorfahren vermutlich kummervoll die Köpfe schütteln würden. Ich bin ewig abgebrannt und habe Schulden, und es ist vielleicht auch nicht viel Ehre darin, der Sohn eines in Ungnade gefallenen Wirrkopfs zu sein. Aber wenn ich mich frage, wer oder was ich eigentlich bin, lautet die Antwort: ein Waringham. Müsste ich den Namen ablegen, wäre ich verloren.«
»Weil du der Erbe bist«, erwiderte John. »Das ist etwas völlig anderes. Ich hatte eine Wahl. Du nicht.«
»Ja,
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