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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mag sein. Seit wann bist du hier? Du sagst, du hast meine Stiefmutter schon kennengelernt?«
    John nickte, und es war wieder unmöglich zu erraten, was er dachte. »Und deinen Bruder.«
    »Ray ist in Waringham?« Das war eine unerwartete Freude. »Herrje, und ich war noch nicht drüben. Vielleicht sollte ich das noch rasch nachholen, sonst ist er gekränkt.«
    »Sein Vormund ist auch hier.«
    Nick schnitt eine Grimasse. »Unter den Umständen verschiebe ich es doch lieber auf morgen. Hast du Familie, John?«
    »Nein«, antwortete sein Cousin, und Nick hörte das Bedauern in der Stimme. »Es gab einmal eine junge Dame in York, die ich sehr gerne geheiratet hätte, aber sie starb am Schweißfieber.«
    »Das tut mir leid. Für einen Arzt muss es besonders schlimm sein, einen geliebten Menschen sterben zu sehen und nichts tun zu können.«
    »Vielleicht. Ich bin nicht sicher. Wahrscheinlich ist es für jeden gleich schlimm. Und die wichtigste Lektion, die du als Arzt lernen musst, ist die, dass du nicht allen helfen kannst. Die Entscheidung über Leben und Tod liegt in Gottes Hand, nicht in meiner.«
    »Und doch sagt meine Köchin, Polly wäre gestorben, wenn du nicht hier gewesen wärst.«
    »Ja. Sie wäre verblutet, das ist gewiss.«
    »Dann wage ich zu hoffen, dass Gott dich ausgerechnet jetzt hierher geführt hat, um das zu verhindern. Weil sie weiterleben soll.«
    Sein älterer Cousin betrachtete ihn ernst. »Du … hängst an ihr, ja?«
    Nick legte beide Hände um sein Glas, blickte hinein und sah dann wieder auf. »Weil du mein Cousin bist, werde ich dir die Wahrheit sagen, statt mich besser zu machen, als ich bin: Ja, ich hänge an ihr. Aber bei Weitem nicht so, wie sie’s verdient hätte. Ich bete vor allem des Kindes wegen, dass Polly weiterlebt, denn ohne Mutter aufzuwachsen ist … grässlich.«
    »Oh ja«, pflichtete John ihm bei. »Das musst du mir nicht erzählen. Meine Mutter starb bei meiner Geburt.«
    »Und hattest du eine Stiefmutter?«
    John schüttelte den Kopf. »Vater konnte sich nie dazu entschließen, wieder zu heiraten. Ich nehme an, du denkst, dass es so vielleicht besser war, denn ich habe schon gemerkt, dass zwischen dir und deiner Stiefmutter keine große Zuneigung besteht. Aber ich fand Vaters lange Trauerzeit immer verantwortungslos. Nicht alle Stiefmütter sind Ungeheuer.«
    »Nein, sicher nicht«, räumte Nick ein. Doch er musste unwillkürlich an Prinzessin Mary und Lady Anne Boleyn denken. Und er hatte die Befürchtung, dass er, verglichen mit Mary, um seine Stiefmutter zu beneiden war …
    Polly hatte kein Fieber bekommen, und ihre Wangen erschienen Nick schon nicht mehr so fahl, als er am nächsten Morgen zu ihr ging. Sie versicherte, sie fühle sich großartig, und ihre Augen strahlten vor Liebe und Stolz, als sie ihr Töchterchen betrachtete. Schweren Herzens überreichte sie es ihrer Mutter, die angeboten hatte, es zu Vater Ranulf zu bringen.
    »Ihr solltet das nicht selbst tun, Mylord«, riet Bessy. »Es gehört sich nicht für einen Gentleman, bei der Taufe seines Bastards zugegen zu sein und …«
    »Das ist mir gleich«, entgegnete er trotzig. »Deine Auffassung bezüglich der Manieren eines Gentleman in allen Ehren, Bessy, aber sie ist mein Kind, also werde ich wohl …«
    »Mutter hat trotzdem recht«, fiel Polly ihm ins Wort. »Du tust weder mir noch dem Kind einen Gefallen, wenn du so ein Gewese machst. Die Bauern werden hinter meinem Rücken sagen, ich hätte dich dazu überredet, weil ich mir etwas darauf einbilde, die Mutter deiner Tochter zu sein. Bei so was sind sie empfindlich.«
    Nick seufzte ungeduldig, gab aber nach und legte Eleanor widerwillig in Bessys Arme. »Also schön, meinetwegen. Dann geht mit Gott.«
    Bessy lächelte ihm zu, knickste und trug ihr Enkelkind aus der Kammer.
    Nick beugte sich über Polly und küsste ihr die Stirn. »Das heißt wohl, dass ich keine Ausrede mehr habe, der Begegnung mit Sumpfhexe und Bruder Norfolk aus dem Wege zu gehen«, bemerkte er.
    »Ich steh gleich auf und röste dir Honigmandeln, um dich zu trösten, wenn du zurückkommst«, versprach Polly, die ihn immer gern ein wenig damit aufzog, dass er ein Jahr jünger war als sie, und ihn wie einen Bengel behandelte.
    »Du bleibst, wo du bist, bis Doktor Harrison dir aufzustehen erlaubt«, brummte Nick.
    Er verließ die Kammer, ging die gefährliche Wendeltreppe hinab und trat hinaus in den Frühlingsmorgen. Es war noch früh, der Tau auf den Kräutern in Pollys kleinem

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