Der dunkle Thron
Hände an einem sauberen Tuch ab, das über seiner Schulter hing. »Ihr habt eine gesunde Tochter bekommen, Mylord.«
»Und Polly?«
»Sie schläft. Sie hat es ziemlich schwer gehabt und viel Blut verloren.«
Nick achtete darauf, dass seine Stimme nüchtern klang, als er fragte: »Wird sie’s schaffen?«
John Harrison lächelte schwach. »So Gott will. Es ist noch zu früh, um das zu sagen.«
»Habt Dank, Cousin. Und entschuldigt mich einen Moment.« Er ließ ihn stehen und trat leise in die Kammer.
Alice und Bridget hatten das winzige Neugeborene gewaschen und der Mutter auf den Bauch gelegt. Beide schienen fest zu schlafen. Nick setzte sich neben das Lager und betrachtete sie im schwachen Licht der Kerze, die auf der niedrigen Kommode stand. Das Kind war schrumpelig, hässlich, krebsrot und unvorstellbar winzig. Polly wirkte kränklich bleich und hatte violette Schatten unter den Augen. Nick legte den linken Arm um die angewinkelten Knie, hob die rechte Hand und berührte mit dem kleinen Finger behutsam die winzige Wange des Neugeborenen. »Kann ich sie hochheben?«, fragte er flüsternd.
»Es wär besser, Ihr lasst sie schlafen«, riet die Hebamme. »Sie sind beide erschöpft. Es war eine Steißgeburt, wisst Ihr, das ist fürs Kind genauso schlimm wie für die Mutter. Ich glaub nicht, dass Polly es bis morgen früh macht, aber ich schick Euch …«
Nicks Kopf ruckte hoch.
»Halt doch den Mund, Bridget«, fuhr Alice die Hebamme an.
Nick beugte sich vor und küsste Polly auf die Stirn. Die Blässe ließ ihre Haut beinah durchsichtig wirken, und mit einem Mal sah sie selbst noch aus wie ein Kind. Viel zu jung jedenfalls, um im Wochenbett zu sterben. Er riss sich von ihrem Anblick los, stand auf und fischte einen halben Schilling aus der Börse an seinem Gürtel. »Hab Dank, Bridget.«
Sie verstand sehr wohl, dass er sie vor die Tür setzte. Mit einem vernichtenden Blick in seine Richtung steckte sie ihren Lohn ein und ging hinaus. Ehe die Tür sich ganz geschlossen hatte, hörte er sie murmeln: »Immer dasselbe mit den Kerlen: Erst machen sie den Frauen die Bälger, und dann werden sie zimperlich.«
Nick wartete, bis ihre Schritte verhallt waren, ehe er sagte: »Ich fürchte, sie hat nicht ganz unrecht.«
»Sie ist ein gehässiges Miststück, Mylord«, entgegnete Alice. »Gebt nichts auf das, was sie sagt. Sie ist eingeschnappt, dass der Doktor ihr ins Handwerk gepfuscht hat, aber ohne ihn wär Polly mit Sicherheit jetzt tot. Er hat dem Kind auf die Welt geholfen, sonst wär es jetzt noch nicht da. Und er hat Pollys …« Sie hielt kurz inne und beschloss dann offenbar, ihm die Einzelheiten zu ersparen. »Er hat dafür gesorgt, dass sie aufhört zu bluten. Und was immer jetzt geschieht, es ist nicht Eure Schuld.«
Er hob den Kopf und lächelte ihr matt zu. »Danke, Alice. Würdest du Bessy holen? Ich bleibe hier, bis sie kommt.«
Pollys Mutter erschien im Handumdrehen, sah auf ihre Tochter und ihre Enkelin hinab, bekreuzigte sich und betete einen Moment still. Dann strich sie Nick über den Schopf. »Ein bildschönes Kind, Mylord.«
Wie immer bog er ungehalten den Kopf weg und kam auf die Füße. »Sie ist eine hässliche kleine Kröte. Aber süß.«
»Wie soll sie heißen?«
»Eleanor.«
Bessy starrte ihn an. »Seid Ihr noch zu retten? Eure Mutter wird aus dem Grab aufstehen und Euch heimsuchen, wenn Ihr Euren Bastard nach ihr benennt.«
Nick hob eine Braue. »Das macht mir keine Angst.« Es wäre eine gute Gelegenheit, seiner Mutter zu sagen, was er davon hielt, dass sie einfach gestorben war und ihn und Laura im Stich gelassen und Sumpfhexe ausgeliefert hatte. »Es ist meine Tochter, also werde ich entscheiden, wie sie heißen soll, klar?«, brummte er. Er wandte sich zur Tür. »Ruf mich, wenn irgendetwas ist.«
Nicks Cousin hatte ein Buch aus dem Regal gezogen und hielt es aufgeschlagen in Händen. Als Nick eintrat, sagte er: »Ich hoffe, Ihr vergebt meine Neugier, Mylord.«
»Nur keine Hemmungen, Vetter. Lies, so viel du willst, fühl dich wie zu Hause. Und sag nicht ›Mylord‹ zu mir, wenn du so gut sein willst.«
John Harrison nickte, setzte sich, und als Nick ein Glas Wein vor ihn stellte, hob er es und sagte: »Alsdann, Cousin Nicholas. Auf deine Tochter.«
Nick stieß mit ihm an. »Und auf dich.« Er nahm einen ordentlichen Zug. »Herrje, ich bin ausgehungert«, bemerkte er, als er das feine Glas abstellte. »Ich sollte lieber etwas essen, ehe ich weiter trinke. Oder am besten
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