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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wartet seit gestern auf Euch, und Polly liegt in den Wehen. Und der Pfirsichbaum geht ein.«
    Lord Waringham nickte und gab keinen Kommentar zu Jacobs Neuigkeiten ab. Stattdessen reichte er ihm die Zügel und ging zum Bergfried hinüber. Das zweiflügelige Tor stand offen. Warmes Sonnenlicht fiel auf gescheuerte Steinfliesen und die hellen Wände der Vorhalle. Gemeinsam mit Jim, dem Mann seiner Köchin, hatte Nick sie verputzt und gekalkt. Wie so viele Dinge in seinem Leben hatte er auch das gelernt, indem er es sich ausführlich erklären ließ und dann einfach versuchte. In den Kammern im Obergeschoss, wo er begonnen hatte, war der Putz teilweise bucklig, hier und da war auch ein Stück wieder abgefallen, weil Nick es falsch angestellt hatte oder das Gemäuer zu feucht war, aber entlang der Treppe, in der Vorhalle und in Nicks Gemach über dem Rosengarten waren die Wände nahezu perfekt, fand er.
    Als er die Tür zu seinem Refugium öffnete, vernahm er vom anderen Ende des Korridors, wo die kleineren Kammern lagen, einen jammervollen Schrei. Er fuhr leicht zusammen, trat dann in den behaglichen Raum und legte Barett und Schaube ab. Auf der Truhe neben seinem Bett standen Schüssel und Wasserkanne. Dankbar wusch er sich den Staub von Gesicht und Händen und überlegte, was er als Erstes tun musste. Hinüber ins Wohnhaus gehen, um festzustellen, ob sein geheimnisvoller Besucher dort steckte? Oder erst nach Polly sehen?
    Sie schrie wieder, und Nick biss sich auf die Unterlippe. Zu gerne hätte er gewusst, warum Gott es so eingerichtet hatte, dass Frauen beim Gebären solch furchtbare Schmerzen litten. Und es musste furchtbar sein, um Polly solche Laute zu entlocken. Er bedauerte sie, er hatte ein schlechtes Gewissen, und er bangte um sie. Also gab er sich einen Ruck, warf das Handtuch auf die Truhe und ging zu ihrer Kammer hinüber.
    Als er die Tür öffnete, schrie Polly wieder, und dann flehte sie weinend: »Heilige Jungfrau, hilf mir doch …«
    Seine Köchin Alice und Bridget, die Hebamme von Waringham, hockten mit den Rücken zur Tür neben dem Strohlager am Boden, und ein wildfremder Mann kniete zwischen Pollys angewinkelten Beinen.
    Nick fand den Anblick obszön und war schlagartig wütend. Aber er sagte nichts, sondern umrundete die bizarre Szene und kniete sich auf der anderen Seite auf den harten Steinfußboden. »Polly.« Er nahm ihre Hand.
    Sie wandte ihm das Gesicht zu. Ihres war rot und fleckig, das Haar zerzaust und verschwitzt. Sie riss ihre Hand aus seiner. »Geh weg«, keuchte sie. »Du sollst das nicht sehen …«
    Der Fremde hatte die Linke auf ihren Oberschenkel und die rechte Hand auf ihren gewölbten Bauch gelegt, und das mit einer Selbstverständlichkeit, die Nick verwirrte und stutzig machte. Jetzt hob der Mann den Kopf und sah ihn an, und für einen Moment war es Nick, als schwanke der solide Boden unter seinen Knien, denn dieser Kerl sah aus wie der große Bruder, den Nick sich immer gewünscht hatte.
    »John Harrison, Mylord, ich bin Euer Cousin.«
    »Und Arzt?«, fragte Nick fassungslos.
    Sein Vetter nickte und richtete den Blick wieder so ungeniert auf Pollys Scham. »Es ist wirklich besser, Ihr wartet draußen«, riet er, und sein Tonfall verhieß nichts Gutes. »Ich komme zu Euch, sobald ich kann.«
    Nick strich Polly über die schweißnasse Stirn und drückte ihre schmale Hand kurz an seine Wange. »Wird schon«, murmelte er. »Du schaffst das, du wirst sehen.«
    Er war nicht sicher, ob sie ihn hörte. Er ließ sie los, wandte sich ab und verspürte schuldbewusste Erleichterung, als er hinaus auf den Korridor trat.
    Endlos langsam krochen die Stunden dahin. Pollys Schreie wollten einfach kein Ende nehmen, und mehr als einmal verfluchte Nick sich für das, was er angerichtet hatte. Er hatte sich einen Krug Ale aus der Küche geholt und saß damit in seinem Gemach. Hin und wieder hörte er eilige Schritte auf dem Gang und der Treppe, wenn die Hebamme oder Alice neues Wasser oder Tücher oder was man auch immer bei einer Entbindung brauchen mochte, herbeischafften, aber er blieb feige, wo er war.
    Es war längst dunkel, als Ruhe einkehrte. Nick hob den Kopf und lauschte. Die Stille war absolut, keine Schritte waren mehr zu hören, keine murmelnden Stimmen, auch nicht das Weinen eines Säuglings. Er erhob sich und trat mit wackligen Knien auf den Gang hinaus, doch ehe er die Tür am anderen Ende erreichte, wurde sie geöffnet, und sein unbekannter Cousin kam heraus. Er trocknete sich die

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