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Der Dunkle Turm 1 - Schwarz

Titel: Der Dunkle Turm 1 - Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Fleisch bezahlt.
    »Komm mit mir oder bleib«, sagte der Revolvermann.
    Der Junge sah ihn nur stumm an. Und für den Revolvermann hörte er in diesem letzten und entscheidenden Augenblick, da er sich von einem moralischen Prinzip freimachte, endgültig auf, Jake zu sein, und wurde nur zu dem Jungen, einer Unperson, die man herumschieben und benützen konnte.
    Etwas schrie in der windigen Stille; er und der Junge hörten es beide.
    Der Revolvermann machte den Anfang, und Jake folgte ihm nach einem Augenblick. Sie erklommen gemeinsam den zerklüfteten Fels neben dem Wasserfall, der kalt wie Stahl war, und blieben dort stehen, wo der Mann in Schwarz vor ihnen gestanden hatte. Dann traten sie gemeinsam dort ein, wo er verschwunden war. Die Dunkelheit verschluckte sie.

Vierter Teil
     
     
    Die Langsamen
Mutanten

1
     
    Der Revolvermann sprach langsam zu Jake, mit der steigenden und fallenden Modulation eines Traumes:
    »Wir waren drei: Cuthbert, Jamie und ich. Wir durften nicht dort sein, denn keiner von uns war dem Kindesalter entwachsen. Wären wir erwischt worden, hätte Cort uns ausgepeitscht. Aber wir wurden nicht erwischt. Ich glaube nicht, daß von denen, die vor uns gegangen sind, jemals einer erwischt worden ist. Jungen müssen einfach einmal heimlich die Hosen ihres Vaters anziehen, vor dem Spiegel damit einherstolzieren und sie dann wieder auf den Bügel hängen; so ungefähr war es auch damit. Der Vater tut so, als würde ihm nicht auffallen, daß sie anders hängen, oder als würde er die Reste der Schuhcremeschnurrbärte unter ihren Nasen nicht sehen. Verstehst du?«
    Der Junge sagte nichts. Er hatte, seit sie das Tageslicht hinter sich gelassen hatten, nichts mehr gesagt. Der Revolvermann hatte hektisch, fiebrig geredet, um das Schweigen zu verdrängen. Er hatte nicht ins Licht zurückgesehen, als sie in die Lichtlosigkeit des Berginneren hinabgestiegen waren, aber der Junge hatte es getan. Der Revolvermann hatte das Schwinden des Tageslichts im weichen Spiegel von Jakes Wangen gesehen: erst zartrosa; dann Milchglas; dann silberne Blässe; dann der letzte düstere Schein des Abendrots; dann nichts mehr. Der Revolvermann hatte ein künstliches Licht angezündet, und sie waren weitergegangen. Jetzt lagerten sie. Sie hörten kein Echo von dem Mann in Schwarz. Vielleicht hatte auch er Halt gemacht, um sich auszuruhen. Oder vielleicht schwebte er ohne führendes Licht weiter durch nachtschwarze Kammern.
    »Es fand einmal jährlich im Großen Saal statt«, fuhr der Revolvermann fort. »Wir nannten ihn Saal der Großväter. Aber es war nur der große Saal.«
    Das Geräusch tröpfelnden Wassers drang ihnen in die Ohren.
    »Ein Ritual der Partnerwahl.« Der Revolvermann lachte verächtlich, und die empfindungslosen Wände machten den Laut zu einem irren Winseln. »In den Büchern steht, daß es in alten Zeiten die Begrüßung des Frühlings war. Aber die Zivilisation, du weißt ja…«
    Er verstummte, weil er außerstande war, die diesem mechanisierten Substantiv innewohnende Veränderung zu beschreiben, den Tod des Romantischen und seine sterile, weltliche Bedeutung, nur durch den gezwungenen Atem von Flitter und Zeremoniell zu leben; die geometrischen Schritte der Brautwerbung beim Tanz in der Osternacht im Großen Saal, welche das aufgeregte Trippeln der Liebe verdrängt hatten, an das er sich nur vage und intuitiv erinnern konnte – hohles Pathos anstelle von bedeutungsvollen und mitreißenden Leidenschaften, die einstmals die Seelen ausgelöscht haben mochten.
    »Sie haben etwas Dekadentes daraus gemacht«, sagte der Revolvermann. »Ein Schaustück. Ein Spiel.« Seine Stimme drückte das unbewußte Mißfallen des Asketen aus. Wäre das Licht stärker gewesen, so hätte es die Veränderung seines Gesichts deutlich machen können – Härte und Trauer. Aber sein essentieller Ausdruck war nicht gewichen oder verwässert worden. Der Mangel an Fantasie, den dieses Gesicht noch ausdrückte, war bemerkenswert.
    »Aber der Ball«, sagte der Revolvermann. »Der Ball…«
    Der Junge sagte nichts.
    »Fünf schwere Lüster aus Kristall befanden sich dort, schweres Glas mit elektrischem Licht. Nichts als Licht, eine Insel aus Licht.
    Wir waren in eine der alten Logen geschlüpft, die angeblich baufällig waren. Aber wir waren noch Jungen. Wir waren über allem und konnten darauf hinuntersehen. Ich kann mich nicht erinnern, daß einer von uns etwas sagte. Wir sahen nur zu, und wir sahen stundenlang zu.
    Unten stand ein

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