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Der Dunkle Turm 1 - Schwarz

Titel: Der Dunkle Turm 1 - Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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ihm vorbei, er starrte geradeaus, ohne zu sehen, das schmerzvolle Lächeln auf seinem Gesicht. Er ging auf Corts Hütte zu, wo die Rollos heruntergelassen waren, um die mörderische Hitze des Nachmittags abzuhalten. Cort schlief nachmittags, damit er seine abendlichen geilen Ausflüge in die labyrinthischen und schäbigen Bordelle der Unterstadt in vollen Zügen genießen konnte.
    Jamie spürte intuitiv, was geschehen würde, und in seiner Angst und Aufregung war er zwischen den beiden Möglichkeiten hin- und hergerissen, Roland zu folgen oder die anderen zu rufen.
    Dann fiel der hypnotische Bann von ihm ab, und er lief schreiend auf das Hauptgebäude zu. »Cuthbert! Allen! Thomas!« Seine Schreie klangen dünn und kläglich in der Hitze. Auf die unsichtbare Art, die Jungen innewohnt, hatten sie gewußt, hatten sie alle gewußt, daß dieser Junge der erste von ihnen sein würde, der seine Grenzen ausprobierte. Aber es war zu früh.
    Das tückische Grinsen in Rolands Gesicht stimulierte ihn wie die Neuigkeiten von Kriegen, Revolutionen oder Hexerei es niemals gekonnt hätten. Dies war mehr als Worte aus einem zahnlosen Mund, die über fliegenfleckigen Salatköpfen gesprochen wurden.
    Roland schritt zur Hütte seines Lehrmeisters und trat die Tür auf. Sie flog nach hinten, prallte gegen die schmucklos verputzte Wand und schnellte wieder zurück.
    Er war noch nie hier gewesen. Die Eingangstür öffnete sich in eine spärliche Küche, die kühl und braun war. Ein Tisch. Zwei Lehnstühle. Zwei Schränke. Verblichener Linoleumboden mit schwarzen, ausgetretenen Spuren vom Kühlschrank im Boden, zur Theke, wo die Messer hingen, zum Tisch.
    Dies war die Privatsphäre eines Mannes der Öffentlichkeit. Die letzte verblaßte Nüchternheit eines gewalttätigen mitternächtlichen Tunichtguts, der die Jungen dreier Generationen auf seine derbe Art geliebt und einige zu Revolvermännern gemacht hatte.
    »Cort!«
    Er trat gegen den Tisch, der durch den Raum gegen den Schrank flog. Messer fielen wie funkelnde Mikadostäbchen von der Wandhalterung.
    Im Nebenzimmer war eine träge Bewegung zu hören, ein schlaftrunkenes Räuspern. Der Junge trat nicht ein, denn er wußte, daß es Schau war, Cort war im anderen Zimmer der Hütte sofort aufgewacht und stand mit einem wachsamen Auge neben der Tür und war bereit, dem unvorsichtigen Eindringling den Hals umzudrehen.
    »Cort, ich will dich sehen, Lehnsmann!«
    Jetzt sprach er die Hochsprache, und Cort stieß die Tür auf. Er hatte nur dünne Unterhosen an, ein vierschrötiger Mann mit krummen Beinen, der von Kopf bis Fuß mit Narben übersät war und dicke Muskelpakete hatte. Und einen runden, vorgewölbten Bauch. Der Junge wußte aus Erfahrung, daß er federnd wie Stahl war. Das eine unversehrte Auge betrachtete ihn aus dem zerschlagenen, haarlosen Kopf.
    Der Junge salutierte formell. »Bringe mir nichts mehr bei, Lehnsmann. Heute werde ich dir etwas beibringen.«
    »Du bist früh dran, Küken«, sagte er beiläufig, doch auch er benützte die Hochsprache. »Fünf Jahre zu früh, würde ich sagen. Ich frage dich nur einmal. Möchtest du zurücktreten?«
    Der Junge lächelte sein tückisches, schmerzvolles Lächeln. Das genügte Cort, der dieses Lächeln schon auf einem Strich blutgetränkter Felder der Ehre und Unehre unter scharlachroten Himmeln gesehen hatte, als Antwort – vielleicht war es die einzige Antwort, die er geglaubt hätte.
    »Zu schade«, sagte der Lehrer abwesend. »Du warst mein vielversprechendster Schüler – der beste seit zwei Dutzend Jahren, möchte ich sagen. Es wird weh tun, dich gebrochen und in einer Sackgasse zu sehen. Aber die Welt hat sich weitergedreht. Schlechte Zeiten sind im Sattel.«
    Der Junge sagte immer noch nichts (und wäre auch keiner zusammenhängenden Erklärung fähig gewesen, wäre eine verlangt worden), aber das gräßliche Lächeln wurde zum ersten Mal sanfter.
    »Doch du hast das richtige Blut in dir«, sagte Cort feierlich, »ob im Westen nun Aufruhr und Hexerei herrschen oder nicht. Ich bin dein Lehnsmann, Junge, ich anerkenne deinen Befehl und beuge mich ihm jetzt – wenn auch niemals wieder – von ganzem Herzen.«
    Und Cort, der ihn geschlagen, getreten, bluten gelassen, verflucht, verspottet und ihn den Ausbund der Syphilis genannt hatte, ließ sich auf ein Knie nieder und senkte den Kopf.
    Der Junge berührte das ledrige, verwundbare Fleisch seines Halses verwundert. »Steh auf, Lehnsmann. In Liebe.«
    Cort stand langsam auf, und

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