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Der Dunkle Turm 1 - Schwarz

Titel: Der Dunkle Turm 1 - Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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Revolvermann bezwang nur unter großen Mühen das Bedürfnis, ihm zu sagen, er solle sich erst in einem Jahr oder besser in achtzehn Monaten selbst der Prüfung stellen, wenn er nicht nach Westen verbannt werden wollte. Aber sie hatten gemeinsam eine Menge durchgemacht, und der Revolvermann war der Überzeugung, daß er es nicht wagen konnte, ohne dabei einen Tonfall anzunehmen, den man nur als väterlich herablassend bezeichnen konnte. Ich fange an, Ränke zu schmieden, dachte er und war ein wenig abgestoßen. Dann dachte er an Marten und an seine Mutter, und er lächelte seinem Freund ein heuchlerisches Lächeln zu.
    Ich werde der erste sein, dachte er und wußte es zum ersten Mal sicher, obschon er (auf besinnliche Weise) schon häufig darüber nachgedacht hatte. Ich werde der erste sein.
    »Gehen wir«, sagte er.
    »Mit Vergnügen, Revolvermann.«
    Sie verließen den Hof durch das Ostende des heckengesäumten Korridors; Thomas und Jamie kamen bereits mit den Krankenschwestern zurück. Sie sahen in den schweren weißen, über der Brust mit einem roten Kreuz versehenen Kleidern wie Gespenster aus.
    »Soll ich dir mit dem Falken helfen?« fragte Cuthbert.
    »Ja«, sagte der Revolvermann.
    Und später, als die Dunkelheit gekommen war und prasselnden Gewitterregen mit sich gebracht hatte, während riesige gespenstische Wolkenbänke über den Himmel rasten und Blitze die verwinkelten Gassen der Unterstadt in blaues Feuer hüllten, während Pferde mit hängenden Köpfen und triefenden Schweifen an ihren Geländern standen, nahm sich der Revolvermann eine Frau und schlief mit ihr.
    Es war schnell und gut. Als es vorbei war und sie schweigend nebeneinander lagen, fing es mit kurzer, rasselnder Heftigkeit an zu hageln. Unten und weit entfernt spielte jemand Hey Jude als Ragtime. Das Denken des Revolvermannes wandte sich spekulierend nach innen. In dieser hagelprasselnden Stille dachte er, kurz bevor ihn der Schlaf überkam, zum ersten Mal, daß er auch der letzte sein könnte.
     
     
    6
     
    Selbstverständlich erzählte der Revolvermann das nicht alles dem Jungen, aber wahrscheinlich klang das meiste doch an. Er hatte schon gemerkt, daß dies ein außerordentlich empfänglicher Junge war, der sich nicht sehr von Cuthbert oder gar Jamie unterschied.
    »Schläfst du?« fragte der Revolvermann.
    »Nein.«
    »Hast du verstanden, was ich dir erzählt habe?«
    »Verstanden?« fragte der Junge voll vorsichtigem Abscheu. »Verstanden? Soll das ein Witz sein?«
    »Nein.« Aber der Revolvermann fühlte sich in die Defensive gedrängt. Er hatte noch niemals vorher jemandem vom Ritual seines Erwachsenwerdens erzählt, weil er selbst seine Zweifel hatte. Der Falke war selbstverständlich eine völlig akzeptable Waffe gewesen, aber auch ein Trick. Und ein Verrat. Der erste von vielen: Bereite ich mich darauf vor, diesen Jungen dem Mann in Schwarz zu opfern?
    »Ich habe es verstanden«, sagte der Junge. »Es war ein Spiel, nicht? Müssen erwachsene Männer immer Spiele spielen? Muß alles eine Ausrede für eine andere Art Spiel sein? Werden Männer überhaupt erwachsen, oder werden sie nur älter?«
    »Du weißt nicht alles«, sagte der Revolvermann und versuchte, seinen wachsenden Zorn im Zaum zu halten.
    »Nein. Aber ich weiß, was ich für dich bin.«
    »Und das wäre?« fragte der Revolvermann gepreßt.
    »Ein Pokerchip.«
    Der Revolvermann verspürte den Drang, einen Stein aufzuheben und dem Jungen den Schädel einzuschlagen. Doch er hielt seine Zunge im Zaum.
    »Geh schlafen«, sagte er. »Jungen brauchen ihren Schlaf.« Und in Gedanken hörte er Martens Echo: Geh und bediene dich deiner Hand.
    Er saß steif in der Dunkelheit und war starr vor Entsetzen und fürchtete sich (zum ersten Mal in seinem Leben, ausgerechnet) vor der Abscheu vor sich selbst, die ihn erwarten mochte.
     
     
    7
     
    Während der nächsten Wachperiode führten die Schienen sie näher an den unterirdischen Fluß heran, und sie trafen auf die Langsamen Mutanten.
    Jake sah den ersten und schrie laut auf.
    Der Kopf des Revolvermanns, den er starr geradeaus gehalten hatte, während er die Draisine antrieb, schnellte nach rechts. Unter ihnen leuchtete ein Stück entfernt ein fahler irrlichtender Schimmer, der kreisförmig war und leicht pulsierte. Er nahm zum ersten Mal einen Geruch wahr – einen schwachen, unangenehmen und feuchten Geruch.
    Das Grün war ein Gesicht, und dieses Gesicht war mißgestaltet. Über der plattgedrückten Nase befanden sich

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