Der Dunkle Turm 1 - Schwarz
der Revolvermann. »Mein Geburtsrecht, Lehrmeister. Ich brauche es.«
Sein Geburtsrecht waren die Pistolen – nicht die schweren, von Sandelholz verstärkten seines Vaters –, aber dennoch Pistolen. Für alle verboten, abgesehen von einigen wenigen. Die letzte, endgültige Waffe. Die Waffen seiner Lehrzeit, schwere, klobige Waffen aus Stahl und Nickel, hingen in der tiefen Gruft unter den Baracken, wo er sich nun nach uraltem Gesetz aufhalten durfte, fern von der Mutterbrust. Sie hatten seinen Vater durch seine Lehrzeit begleitet, und sein Vater regierte heute wenigstens dem Namen nach.
»Demnach ist es so beängstigend?« murmelte Cort wie im Schlaf. »So drängend. Das habe ich befürchtet. Und doch, du hast gesiegt.«
»Der Schlüssel.«
»Der Falke… ein großartiger Schachzug. Eine gute Waffe. Wie lange hast du gebraucht, das Miststück abzurichten?«
»Ich habe David nicht abgerichtet. Ich wurde sein Freund. Der Schlüssel.«
»Unter meinem Gürtel, Revolvermann.« Das Auge fiel wieder zu.
Der Revolvermann griff unter Corts Gürtel, er spürte den schweren Druck des Bauches, dessen Muskeln jetzt erschlafft waren und ruhten. Der Schlüssel war an einem Messingring. Er hielt ihn in der Hand umklammert und widerstand dem verrückten Wunsch, ihn als Salut seines Sieges himmelwärts zu halten. Er stand auf und drehte sich endlich zu den anderen um, als Corts Hand nach seinem Fuß tastete. Einen Augenblick fürchtete der Revolvermann einen letzten Angriff und verkrampfte sich, aber Cort sah lediglich zu ihm auf und winkte mit einem blutverschmierten Finger.
»Ich werde jetzt schlafen«, flüsterte Cort ruhig. »Vielleicht für immer, das weiß ich nicht. Ich bringe dir nichts mehr bei, Revolvermann. Du hast mich überwunden, zwei Jahre jünger als dein Vater, der bisher der jüngste war. Doch laß dir einen Rat von mir geben.«
»Welchen?« Ungeduldig.
»Warte.«
»Hm?« Überraschung stieß das Wort aus ihm heraus.
»Laß das Wort und die Legende dir vorauseilen. Es gibt Menschen, die beides verbreiten werden.« Sein Auge sah über die Schulter des Revolvermannes. »Möglicherweise Narren. Laß das Wort dir vorauseilen. Laß deinen Schatten wachsen. Laß ihm einen Bart wachsen.« Er lächelte grotesk. »Mit der Zeit vermögen Worte selbst einen Zauberer zu verzaubern. Verstehst du, Revolvermann?«
»Ja.«
»Wirst du meinen letzten Rat befolgen?«
Der Revolvermann wippte auf den Absätzen auf und ab, eine spärliche, nachdenkliche Haltung, die bereits den Schatten des Mannes warf. Er sah zum Himmel. Dessen Farbe wurde dunkler, purpurn. Die Hitze des Tages ließ nach, und Gewitterwolken im Westen kündeten von Regen. Blitze stachen auf die ungeschützten Flanken des Vorgebirges herab, das sich in einigen Meilen Entfernung erhob. Dahinter befand sich das Gebirge. Und dahinter die hochschießenden Fontänen von Blutvergießen und Unvernunft. Er war müde, müde bis auf die Knochen, und noch tiefer.
Er sah Cort wieder an. »Heute nacht werde ich meinen Falken begraben, Lehrmeister. Und später werde ich in die Unterstadt gehen und jene in den Bordellen informieren, die deiner harren.«
Cort öffnete die Lippen zu einem schmerzverzerrten Lächeln. Und dann schlief er ein.
Der Revolvermann stand auf und drehte sich zu den anderen herum. »Macht eine Bahre und tragt ihn in sein Haus. Dann holt eine Krankenschwester. Nein, zwei Krankenschwestern. Klar?«
Sie sahen ihn immer noch an und waren in einem verzauberten Augenblick gefangen, der noch nicht unterbrochen werden konnte. Sie suchten immer noch nach einer flammenden Korona oder einer werwolfhaften Verwandlung seiner Gesichtszüge.
»Zwei Krankenschwestern«, wiederholte der Revolvermann, und dann lächelte er. Sie lächelten auch.
»Du gottverdammter Pferdetreiber!« rief Cuthbert plötzlich grinsend. »Du hast für den Rest von uns nicht mehr genügend Fleisch übriggelassen, daß wir den Knochen abnagen können!«
»Die Welt wird sich morgen nicht gleich weiterdrehen«, sagte der Revolvermann und zitierte das alte Sprichwort mit einem Lächeln. »Allen, du Tranarsch. Beweg dich!«
Allen machte sich daran, die Bahre zu fertigen; Thomas und Jamie gingen gemeinsam zum Hauptgebäude und zum Krankenhaus. Der Revolvermann und Cuthbert sahen einander an. Sie hatten sich immer am nächsten gestanden – so nahe es die unterschiedlichen Schattierungen ihres Charakters zuließen. Ein abschätzendes, deutliches Licht leuchtete in Cuthberts Augen, und der
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