Der Dunkle Turm 2 - Drei
halten, und er würde denselben Fehler nicht zweimal machen, müde oder nicht. Er würde sogar ganz besonders darauf achten, denselben Fehler nicht zweimal zu machen, eben weil er müde war.
Guter Versuch, Blasser, dachte Detta in ihrem schattigen Unterschlupf, diesem engen, aber irgendwie beruhigenden dunklen Ort, dessen Boden mit den verfallenden Gebeinen toter Tiere bedeckt war. Guter Versuch, aber ich werd nich auffe Scheiße reinfalln.
Sie mußte Eddie ja auch gar nicht erschießen; sie mußte nur warten.
3
Sie hatte Angst, der Revolvermann würde zurückkommen, bevor Eddie eingeschlafen war, aber er war immer noch fort. Der schlaffe Körper vor der Türschwelle regte sich nicht. Vielleicht hatte er Probleme, sich die Medizin zu beschaffen, die er brauchte – oder irgendwie Ärger. Männer wie er schienen Ärger so leicht zu finden wie eine läufige Hündin einen geilen Hund fand.
Zwei Stunden vergingen, während Eddie nach der Frau suchte, die er ›Odetta‹ nannte (wie sehr sie den Klang dieses Namens haßte); er ging die flachen Hügel auf und ab und schrie ihren Namen, bis er keine Stimme mehr hatte.
Schließlich machte Eddie das, worauf sie gewartet hatte: er ging zu dem schmalen Strandabschnitt hinunter, setzte sich neben den Rollstuhl und sah sich untröstlich um. Er berührte einen der Reifen des Stuhls, und die Berührung war beinahe eine Liebkosung. Dann ließ er die Hand sinken und seufzte tief.
Dieser Anblick zauberte stählerne Schmerzen in Dettas Kehle; Schmerzen schossen quer durch ihren Kopf wie Blitze eines Sommergewitters, un sie schien eine Stimme rufen zu hören… rufen oder fordern.
Nein, wirst du nicht, dachte sie, hatte aber keine Ahnung, an wen sie dachte oder zu wem sie sprach. Wirst du nicht, diesmal nicht, nicht jetzt. Nicht jetzt, und vielleicht nie wieder. Der Blitzschlag der Schmerzen zuckte wieder durch ihren Kopf, und sie ballte die Hände zu Fäusten. Ihr Gesicht verkrampfte sich ebenfalls, es verzerrte sich zu einer Fratze der Konzentration – ein Ausdruck, der in seiner Mischung von Häßlichkeit und beinahe übermenschlicher Entschlossenheit bemerkenswert und faszinierend war.
Der Blitzschlag der Schmerzen kam nicht wieder. Und auch die Stimme nicht, die manchmal durch diese Schmerzen zu sprechen schien.
Sie wartete.
Eddie legte das Kinn auf die Hände und stützte den Kopf. Wenig später sank er dennoch nach unten, und die Hände glitten an den Wangen hinauf. Detta wartete, ihre schwarzen Augen leuchteten.
Eddies Kopf schnellte hoch. Er mühte sich auf die Beine, schritt zum Meer hinunter und spritzte sich Wasser ins Gesicht.
So isses recht, weißer Junge. Jammahschade, dasses in dieser Welt hier kein’ Hallowach nich’ gibt, sonst würdste das auch nehm’, isses nich’ so?
Eddie setzte sich wieder, diesmal in den Rollstuhl, aber offenbar war ihm das ein wenig zu gemütlich. Nachdem er lange in die Tür gesehen hatte (was siehst’n da drin, weißer Junge? Detta würd’n Zwanziger hergem, um das zu wissn), setzte er sich wieder runter in den Sand.
Stützte den Kopf wieder mit den Händen.
Bald sank der Kopf wieder nach unten.
Diesmal konnte er es nicht verhindern. Sein Kinn ruhte auf der Brust, und sie konnte ihn trotz der Brandung schnarchen hören. Wenig später kippte er auf die Seite und rollte sich zusammen.
Sie stellte überrascht, abgestoßen und ängstlich fest, daß sie plötzlich Mitleid mit dem weißen Jungen dort unten empfand. Er sah aus wie ein kleiner Racker, der an Silvester versuchte, bis zwölf Uhr wachzubleiben und das Rennen verloren hatte. Dann fiel ihr wieder ein, wie er und der Wirklich Böse Mann ihr vergiftetes Essen geben wollten und sie dabei immer mit ihrem eigenen gehänselt hatten… das sie ihr im letzten Augenblick wegzogen, jedenfalls bis sie Angst gehabt hatten, sie könnte sterben.
Wenn sie Angst hatten, du könntest sterben, warum haben sie dir dann überhaupt Gift geben wollen?
Diese Frage machte ihr ebenso Angst wie das vorübergehende Gefühl des Mitleids. Sie war nicht daran gewöhnt, ihr Tun in Frage zu stellen, und darüber hinaus schien die fragende Stimme in ihren Gedanken überhaupt nicht ihre eigene zu sein.
Wolldn mich nich middm gift’en Essen abmurksn. Wollen mich nur krank machn. Wollten dasitzen ‘nlachen, während ich kotze, nemmich an.
Sie wartete zwanzig Minuten, dann kroch sie zum Strand hinunter, zog sich mit ihren kräftigen Armen und Händen vorwärts, wand sich wie eine
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