Der Dunkle Turm 2 - Drei
die Blicke, die ihm zugeworfen wurden, und die Leute, die ihm aus dem Weg gingen, zu achten, war die Sonne in Rolands Welt noch nicht untergegangen. Ihr unterer Rand würde die Stelle, wo sich Wasser und Luft vereinigten, erst in etwa fünfzehn Minuten erreichen. Wenn für Eddie die Zeit des Leidens kommen sollte, so lag sie immer noch in der Zukunft.
Der Revolvermann wußte das jedoch nicht mit Sicherheit; er wußte nur, daß es dort drüben später war als hier, und die Sonne sollte drüben noch scheinen, aber die Vermutung, daß die Zeit in dieser und der anderen Welt gleich schnell verlief, konnte tödlich sein… besonders für Eddie, der einen unvorstellbar grausamen Tod sterben würde, den sich sein Verstand trotzdem vorzustellen versuchte.
Der Drang, sich umzudrehen und nachzusehen, war fast übermächtig. Aber er wagte es nicht. Durfte es nicht.
Die Stimme von Cort unterbrach den Strom seiner Gedanken streng: Kontrolliere die Dinge, die du kontrollieren kannst, Wurm. Laß alles andere einen Scheißdreck auf dich wirken, und wenn du denn untergehen mußt, dann geh mit blitzenden Revolvern unter.
Ja.
Aber es war schwer.
Manchmal sehr schwer.
Wäre er etwas weniger darauf konzentriert gewesen, seine Aufgabe in dieser Welt so schnell es ging zu erfüllen und wie der Teufel wieder zu verschwinden, hätte er gemerkt, warum die Leute ihn anstarrten und dann auswichen, aber es hätte nichts geändert. Er stapfte so hastig dem blauen Schild entgegen, wo er laut der Mortzyklopädie die Keflex genannte Substanz bekommen konnte, die sein Körper so dringend brauchte, daß Morts Mantelschöße trotz der schweren Patronenladung in jeder Tasche hinter ihm flatterten. Die über seiner Hüfte überkreuzten Revolvergurte waren deutlich zu sehen. Er trug sie nicht, wie ihre eigentlichen Besitzer sie getragen hatten, sauber und ordentlich, sondern so, wie er seine eigenen getragen hatte: überkreuz und tief an den Hüften.
Für die Einkäufer, Spaziergänger und Passanten auf der Neunundvierzigsten Straße sah er aus, wie er für Fat Johnny ausgesehen hatte: wie ein Desperado.
Roland erreichte Katz’ Drogerie und ging hinein.
13
Der Revolvermann hatte in seiner Zeit mit Zauberern, Magiern und Alchimisten zu tun gehabt. Manche waren gerissene Scharlatane gewesen, einige dumme Betrüger, an die nur Menschen glauben konnten, die noch dümmer als sie selbst waren (aber in der Welt hatte nie Knappheit an Narren bestanden, daher konnten selbst die dummen Betrüger überleben; tatsächlich ging es den meisten sogar blendend), und ein paar waren sogar tatsächlich imstande gewesen, die schwarzen Dinge zu tun, von denen die Menschen flüsterten. Diese wenigen konnten Dämonen und die Toten beschwören, konnten mit einem Fluch töten oder mit seltsamen Lotionen heilen. Einer dieser Männer war ein Geschöpf gewesen, das der Revolvermann selbst für einen Dämon gehalten hatte, ein Geschöpf, das sich als Mensch ausgegeben und sich Flagg genannt hatte. Er hatte ihn nur ganz kurz gesehen, und das gegen Ende, als Chaos und der endgültige Zusammenbruch über sein Land hereingebrochen waren. Ihm auf den Fersen waren zwei junge Männer gewesen, die verzweifelt und doch entschlossen ausgesehen hatten; Dennis und Thomas hießen sie. Diese hatten nur sehr kurze und obendrein verwirrte und verwirrende Zeit an Rolands Leben teilgehabt, aber er würde nie den Anblick vergessen, wie Flagg einen Mann, der ihn erzürnt hatte, in einen heulenden Hund verwandelte. Daran konnte er sich noch gut erinnern. Und dann war da der Mann in Schwarz gewesen.
Und Marten.
Marten, der seine Mutter verführte, während sein Vater weg war, Marten, der Rolands Tod herbeiführen wollte und statt dessen seine frühe Mannbarkeit erreicht hatte, Marten, den er, vermutete er, wiedersehen würde, bevor er den Turm erreichte… oder dort selbst.
Das alles soll nur verdeutlichen, daß seine Erfahrung mit Zauberei und Zauberern ihn etwas völlig anderes erwarten ließ, als er tatsächlich in Katz’ Drogerie fand.
Er hatte einen düsteren, von Kerzen erhellten Raum voll bitterer Gerüche, Kolben mit unbekannten Flüssigkeiten und Pulvern und Flaschen erwartet, viele davon mit dicken Staubschichten bedeckt oder von jahrhundertealten Spinnweben verborgen. Er hatte einen Mann in Kutte erwartet, einen Mann, der gefährlich sein konnte. Er sah durch die durchsichtigen Fensterscheiben, wie sich Menschen so beiläufig wie in jedem beliebigen Geschäft darin
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