Der Dunkle Turm 2 - Drei
bewegten, und er glaubte, sie müßten eine Illusion sein.
Waren sie nicht.
Daher stand der Revolvermann einen Augenblick unter der Tür, zuerst erstaunt und dann ironisch amüsiert. Er befand sich hier in einer Welt, die ihn scheinbar auf Schritt und Tritt mit neuen Wundern aus der Fassung brachte, einer Welt, wo Kutschen durch die Luft flogen und Papier offenbar so billig wie Sand war. Und das neueste Wunder war, daß für diese Menschen die Wunder schlichtweg ausgegangen waren: Er sah hier, an einem Ort der Wunder, nur gelangweilte Gesichter und schlurfende Körper.
Da waren Tausende Flaschen, da waren Lotionen, da waren Kolben, aber die Mortzyklopädie identifizierte die meisten als Gepränge und Schau. Hier war eine Salbe, die Haarausfall heilen sollte, es aber nicht tat; hier eine Creme, die versprach, unschöne Flecken auf Händen und Armen zu beseitigen, was aber nicht stimmte. Hier gab es Heilung für Dinge, die gar nicht geheilt werden mußten: Mittel, die die Eingeweide zum Überlaufen brachten oder genau das verhinderten, die die Zähne weiß und das Haar schwarz machten, Mittel, die den Atem besser machen sollten, als könnte man das nicht einfach erreichen, indem man Erlenrinde kaute. Hier war keine Zauberei; nur Triviales – aber es gab Astin und ein paar andere Mittel, die zu wirken schienen. Aber Roland fühlte sich größtenteils abgestoßen. An einem Ort, der Alchimie versprach und statt dessen mehr Parfüm als wirksame Mittel anbot, war es da ein Wunder, daß die Wunder ausgegangen waren?
Aber als er die Mortzyklopädie konsultierte, fand er heraus, daß sich die Wahrheit dieses Ortes nicht nur in den Mitteln äußerte, die er sah. Die Mittel, die wirklich funktionierten, waren an sicheren Orten verstaut. Man konnte sie nur erhalten, wenn man die Erlaubnis eines Zauberers hatte. Solche Zauberer hießen in dieser Welt DOCKTORREN, und sie schrieben ihre Zauberformeln auf Papierblätter, die die Mortzyklopädie RESEBDE nannte. Dieses Wort kannte der Revolvermann nicht. Er vermutete, er hätte das Thema noch weiter verfolgen können, machte sich aber nicht die Mühe. Er wußte, was er brauchte, und ein kurzer Blick in die Mortzyklopädie sagte ihm, in welchem Teil des Ladens er es bekommen konnte.
Er schritt einen der Gänge entlang zu einem Platz mit den Worten VERSCHREIBUNGSPFLICHTIGE MEDIKAMENTE darauf.
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Der Katz, der Katz’ Pharmacy and Soda Fountain (Diverses und Galanteriewaren für Damen und Herren) im Jahre 1927 an der Neunundvierzigsten Straße eröffnet hatte, war schon lange im Grab, und sein einziger Sohn sah aus, als wäre er auch kurz davor. Er war zwar erst sechsundvierzig, sah aber zwanzig Jahre älter aus. Er war kahl, hatte gelbe Haut und war gebrechlich. Er wußte, die Leute sagten, daß er wie der leibhaftige Tod aussah, aber keiner verstand warum.
Dabei mußte man nur einmal diese Idiotin am Telefon nehmen, Mrs. Rathbun. Lamentierte, sie würde ihn verklagen, wenn er ihr gottverdammtes Valiumrezept nicht einlöste, und zwar sofort, IN DIESEM AUGENBLICK.
Was stellen Sie sich vor, Lady, daß ich einen Strom blauer Bomber durchs Telefon schicke? Wenn er das tat, würde sie ihm wenigstens den Gefallen tun und das Maul halten. Sie würde einfach den Hörer über den Mund halten und diesen weit aufsperren.
Dieser Gedanke löste ein garstiges Grinsen aus, das eingefallenes Zahnfleisch entblößte.
»Sie verstehen nicht, Mrs. Rathbun«, unterbrach er sie, nachdem er sich ihr Plärren eine Minute – eine volle Minute – angehört hatte. Er würde nur ein einziges Mal gern imstande sein zu sagen: Hör endlich auf mich anzubrüllen, dumme Möse! Brüll deinen DOKTOR an. Er ist derienige, der dich nach diesem Scheißzeug süchtig gemacht hat! Richtig. Die verdammten Quacksalber verschrieben es, als wäre es Kaugummi, und wenn sie beschließen, die Versorgung abzudrehen, wer hatte dann die Scheiße am Hals? Die Knochensäbler? O nein! Er!
»Was meinen Sie damit, ich verstehe nicht?« Die Stimme in seinem Ohr war wie eine wütende Wespe, die in einem Glas summte. »Ich weiß, daß ich eine Menge in Ihrer Drogerie einkaufe. Ich weiß, daß ich all die Jahre eine treue Kundin war, ich weiß…«
»Sie müssen sich an Ihren…« Er studierte die Rolodex-Karte der Frau noch einmal mit seiner Halbbrille. »… Dr. Brumhall wenden, Mrs. Rathbun. Ihr Rezept ist abgelaufen. Es ist ungesetzlich, Valium ohne Rezept herauszugeben.« Und es sollte auch ungesetzlich sein, es
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