Der Dunkle Turm 2 - Drei
überhaupt erst zu verschreiben… das heißt, wenn man dem Patienten, dem man es verschrieb, nicht gleichzeitig noch seine Geheimnummer dazu sagte, dachte er.
»Das war ein Versehen!« kreischte die Frau. Jetzt schwang ein schriller Unterton von Panik in ihrer Stimme mit. Eddie hätte diesen Unterton sofort erkannt: Es war der Ruf des ängstlichen Süchtigen.
»Dann rufen Sie ihn an und bitten ihn, es zu verlängern«, sagte Katz. »Er hat meine Nummer.« Ja. Sie hatten alle seine Nummer. Genau das war das Problem. Er sah mit sechsundvierzig wie ein todkranker Mann aus, und das alles nur wegen den Schlawinern von Ärzten.
Und wenn ich will, daß, das letzte bißchen Profit, das dieser Laden noch abwirft, auch zum Teufel geht, muß ich nur ein paar von diesen Suchtweibern sagen, sie sollen sich doch ins Knie ficken. Mehr nicht.
»ICH KANN IHN NICHT ANRUFEN!« schrie sie. Ihre Stimme bohrte sich schmerzhaft in sein Ohr. »ER UND SEIN TUNTENFREUND SIND IRGENDWO IN URLAUB, UND NIEMAND WILL MIR SAGEN, WO SIE SIND!«
Katz spürte Säure in seinen Magen fließen. Er hatte zwei Magengeschwüre, eins verheilt, das andere momentan offen, und Frauen wie dieses Miststück waren der Grund dafür. Er machte die Augen zu. Daher sah er nicht, wie sein Assistent den Mann im blauen Anzug und mit der Nickelbrille betrachtete, der sich dem Schalter für verschreibungspflichtige Medikamente näherte, und er sah auch nicht, wie Ralph, der dicke alte Sicherheitsmann (Katz bezahlte dem Mann einen Hungerlohn, aber selbst diese Ausgabe reute ihn noch bitter; sein Vater hatte keinen Sicherheitsmann gebraucht, aber sein Vater, Gott verderbe seine Seele, hatte auch in einer Zeit gelebt, als New York noch eine Stadt und keine Kloschüssel gewesen war), plötzlich aus seinem üblichen Dämmerzustand erwachte und nach der Pistole an seiner Hüfte griff. Er hörte eine Frau schreien, dachte aber, das läge daran, daß sie plötzlich festgestellt hatte, daß es alle Revlon-Präparate im Angebot gab; er war gezwungen gewesen, es ins Angebot zu nehmen, weil dieser Schmendrick Dollentz am anderen Ende der Straße ihn unterbot.
Er dachte nur an Dollentz und diese Idiotin am Telefon, als sich der Revolvermann wie das drohende Schicksal näherte, und stellte sich vor, wie schön die beiden nackt und mit Honig beschmiert über Ameisenhaufen draußen in der Wüste aussehen würden. DAMEN-Ameisenhügel und HERREN-Ameisenhügel. Herrlich. Er dachte, schlimmer könnte es nicht mehr werden, schlimmer nicht mehr. Sein Vater war entschlossen gewesen, daß sein einziger Sohn in seine Fußstapfen treten sollte, und Gott verderbe die Seele seines Vaters, denn dies war sicherlich der absolute Tiefpunkt eines Lebens voller Tiefpunkte, eines Lebens, das ihn vor seiner Zeit alt gemacht hatte.
Dies war der totale Tiefpunkt.
Dachte er jedenfalls mit geschlossenen Augen.
»Wenn Sie vorbeikommen, Mrs. Rathbun, könnte ich Ihnen ein Dutzend Fünf-Milligramm-Valium geben. Wäre das in Ordnung?«
»Der Mann kommt zur Vernunft! Gott sei Dank, der Mann kommt zur Vernunft!« Und dann legte sie auf. Einfach so. Kein Wort des Dankes. Aber wenn sie dieses wandelnde Rektum, das sich Arzt nannte, wiedersah, würde sie auf die Knie fallen und ihm die Spitzen seiner Schuhe von Gucci mit der Nase polieren, sie würde ihm einen blasen, sie würde…
»Mr. Katz«, sagte sein Assistent mit einer Stimme, die sich seltsam gepreßt anhörte. »Ich glaube, wir haben ein Prob…«
Wieder ein Schrei. Dem folgte der Knall einer Pistole, der ihn so sehr erschreckte, daß er einen Augenblick glaubte, sein Herz würde einen monströsen Schlag in seiner Brust machen und dann einfach stehenbleiben.
Er machte die Augen auf und sah in die Augen des Revolvermanns. Katz senkte den Blick und sah die Pistole in der Faust des Mannes. Er sah nach rechts und erblickte Ralph, der sich eine Hand rieb und den Mann mit Augen ansah, die aus seinem Gesicht zu platzen drohten. Ralphs eigene Waffe, eine 38er, die er während achtzehn Jahren Polizeidienst gepflegt hatte (und die er nur auf dem Schießstand im Keller des dreiundzwanzigsten Reviers abgefeuert hatte; er behauptete, er habe sie zweimal während eines Einsatzes ziehen müssen… aber wer konnte das schon sagen?), lag als Schrott in der Ecke.
»Ich brauche Keflex«, sagte der Mann mit den Kanoniersaugen ausdruckslos. »Ich brauche viel. Sofort. Vergessen Sie das RESEBD.«
Katz konnte ihn einen Augenblick nur anstarren, sein Mund stand offen,
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