Der Dunkle Turm 2 - Drei
Unterhose zum Vorschein kam, die wie das Höschen einer Hure aussah. Er hatte keine Zeit, über diese Besonderheit nachzudenken. Wenn er sich nicht beeilte, mußte er sich keine Sorgen mehr machen, bei lebendigem Leib zu verbrennen; die Patronen, die er gekauft hatte, würden so heiß werden, daß sie losgingen, und dieser Körper würde schlicht und einfach explodieren.
Der Revolvermann steckte die Schachteln mit den Patronen in die Unterwäsche, nahm die Flasche Keflex heraus und machte damit dasselbe. Jetzt waren die Unterhosen grotesk ausgebeult. Er streifte das brennende Jackett ab, machte sich aber nicht die Mühe, das brennende Hemd auszuziehen.
Er konnte den Zug in die Haltestelle dröhnen hören, konnte seine Lichter sehen. Er konnte nicht wissen, ob es ein Zug war, der dieselbe Richtung fuhr wie der, der Odetta überfahren hatte, und dennoch wußte er es. Was den Turm anbetraf, so war das Schicksal so gütig wie das Feuerzeug, welches sein Leben gerettet hatte, und so schmerzhaft wie das Feuer, das das Wunder entzündet hatte. Es folgte, gleich den Rädern des heranbrausenden Zuges, einem Kurs, der logisch und zerschmetternd brutal war, einem Kurs, gegen den nur Stahl und Liebreiz bestehen konnten.
Er zog Morts Hosen hoch und fing an zu laufen, und er bemerkte die Menschen kaum, die sich aus seinem Weg warfen. Das Feuer, das jetzt mehr Luft hatte, erfaßte zuerst den Hemdkragen und dann sein Haar. Die schweren Schachteln in Morts Unterwäsche schlugen ihm dauernd gegen die Eier und quetschten sie; unerträgliche Schmerzen machten sich in seinem Unterleib breit. Er sprang auf das Drehkreuz, ein Mann, der zum Meteor wurde. Lösch mich! schrie Mort. Lösch mich, bevor ich verbrenne!
Du solltest verbrennen, dachte der Revolvermann grimmig. Was mit dir geschehen wird, ist barmherziger, als du es verdienst.
Was meinst du damit? WAS MEINST DU DAMIT?
Der Revolvermann antwortete nicht; er schaltete ihn sogar völlig ab, während er zum Rand des Bahnsteigs lief. Er spürte, wie eine der Munitionsschachteln aus Morts albernem Höschen zu rutschen drohte und hielt sie mit einer Hand fest.
Er schickte jeden Funken seiner Geisteskraft zur Herrin. Er hatte keine Ahnung, ob ein solcher telepathischer Befehl gehört werden oder ob der, der ihn hörte, zum Gehorchen gezwungen werden konnte, aber er schickte ihn trotzdem los, einen schnellen, scharfen Gedankenpfeil:
DIE TÜR! SCHAU IN DIE TÜR! JETZT! JETZT!
Das Donnern des Zuges füllte seine Welt aus. Eine Frau schrie: »O mein Gott, er wird springen!« Eine Hand schlug ihm auf die Schulter und versuchte, ihn zurückzureißen. Dann stieß Roland den Körper von Jack Mort über die gelbe Warnlinie und kippte über den Rand des Bahnsteigs. Er kippte mit auf die Lenden gepreßten Händen vor den einfahrenden Zug; er hielt das Gepäck, das er mitbringen würde… das hieß, wenn er schnell genug war, genau im richtigen Augenblick aus Mort zu entkommen. Während er fiel, rief er wieder nach ihr – ihnen:
ODETTA HOLMES! DETTA WALKER! SEHT HER!
Während er rief, während der Zug auf ihn zuraste, dessen Räder sich mit gnadenloser silberner Geschwindigkeit drehten, drehte der Revolvermann endlich den Kopf und sah durch die Tür.
Und direkt in ihr Gesicht.
Gesichter! Beide, ich sehe sie beide gleichzeitig.
NEEEEE…! kreischte Mort, und im letzten Sekundenbruchteil, bevor ihn der Zug überfuhr und nicht über den Knien, sondern oberhalb der Hüfte in zwei Hälften schnitt, schnellte Roland zur Tür… und hindurch.
Jack Mort starb alleine.
Die Munitionsschachteln und die Flasche Keflex erschienen neben Rolands leiblichem Körper. Seine Hände verkrampften sich konvulsivisch um sie und entspannten sich dann. Der Revolvermann richtete sich auf, er spürte, daß er sich wieder in seinem kranken, pulsierenden Körper befand, hörte, daß Eddie schrie, hörte Odetta mit zwei Stimmen schreien. Er sah hin – nur einen Augenblick – und sah genau das, was er hörte: nicht eine Frau, sondern zwei. Beide hatten keine Beine, beide waren dunkelhäutig beide waren von außerordentlicher Schönheit. Dennoch war eine davon eine Hexe, deren innere Häßlichkeit von der äußeren Schönheit nicht verborgen, sondern sogar noch verstärkt wurde.
Roland sah die Zwillinge an, die eigentlich gar keine Zwillinge waren, sondern negative und positive Abbilder derselben Frau. Er betrachtete sie mit fiebriger, hypnotischer Intensität.
Dann schrie Eddie wieder, und der Revolvermann sah
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