Der Dunkle Turm 3 - Tot
wenn der Geburtsvorgang beginnt.
»Steh auf, Eddie.«
Einen Moment dachte er, Eddie würde einfach in seiner kauernden Haltung bleiben und das Gesicht am Bein dieser Frau verbergen. Wenn ja, war alles verloren… und auch das war Ka. Dann erhob sich Eddie langsam. Er stand da und ließ alles – Hände, Schultern, Kopf, Haar – hängen, was nicht gut war, aber er stand immerhin, und das war ein Anfang.
»Sieh mich an.«
Susannah regte sich unbehaglich, aber diesmal sagte sie nichts.
Eddie hob langsam den Kopf und strich sich mit einer zitternden Hand das Haar aus den Augen.
»Dies gehört dir. Es war falsch, daß ich es überhaupt angenommen habe, wie groß meine Schmerzen auch waren.« Roland schloß die Hand um die Wildlederschnur, zog und riß sie ab. Er hielt Eddie den Schlüssel hin. Eddie griff danach wie ein Mann in einem Traum, aber Roland öffnete die Hand nicht sofort.
»Wirst du versuchen zu tun, was getan werden muß?«
»Ja.« Seine Stimme war kaum hörbar.
»Hast du mir etwas zu sagen?«
»Es tut mir leid, daß ich Angst habe.« Etwas Schreckliches klang in Eddies Stimme mit, was Roland im Herzen weh tat, und er überlegte sich, daß er wußte, was es war: Er hatte den letzten Rest von Eddies Krankheit vor sich, der unter Qualen zwischen ihnen dreien verendete. Man konnte ihn nicht sehen, aber Roland konnte seine sterbenden Schreie hören und versuchte, sich taub zu stellen.
Wieder etwas, das ich im Namen des Turms getan habe. Meine Liste wird immer länger, und der Tag, da ich sie vorlegen muß wie ein Trunkenbold die Rechnung in einer Schänke, rückt immer näher. Wie soll ich sie jemals bezahlen?
»Ich will keine Entschuldigung, am allerwenigsten dafür, daß du Angst hast«, sagte er. »Was wären wir ohne Angst? Tolle Hunde mit Schaum vor dem Maul und Scheiße, die an unseren Aftern trocknet.«
»Was willst du dann?« schrie Eddie. »Du hast alles andere genommen – alles, was ich zu geben hatte! Also was willst du noch von mir?«
Roland hielt den Schlüssel, der ihre Hälfte von Jake Chambers’ Rettung war, in der geballten Faust und sagte nichts. Er sah Eddie direkt in die Augen, und die Sonne schien auf die weite grüne Ebene und das blaugraue Band des Flusses Send, und irgendwo in der Ferne krächzte die Krähe erneut im goldenen Licht dieses dämmernden Sommernachmittags.
Nach einer Weile leuchtete Verstehen in Eddie Deans Augen auf.
Roland nickte.
»Ich habe das Gesicht…« Eddie verstummte. Neigte den Kopf. Schluckte. Sah den Revolvermann wieder an. Das Ding, das zwischen ihnen gestorben war, war jetzt fortgegangen – Roland wußte es. Das Ding war nicht mehr. Einfach so. Hier, auf dieser sonnigen, windigen Kuppe am Rand der Welt, war es für immer dahingegangen. »Ich habe das Gesicht meines Vaters vergessen, Revolvermann… und ich erflehe deine Verzeihung.«
Roland machte die Hand auf und gab die geringe Last des Schlüssels demjenigen zurück, dem es vom Ka vorbestimmt war, ihn zu tragen. »Sprich nicht so, Revolvermann«, sagte er in der Hochsprache. »Dein Vater sieht dich genau… liebt dich von Herzen… und ich ebenso.«
Eddie nahm den Schlüssel in die Hand und wandte sich ab, während Tränen noch auf seinem Gesicht trockneten. »Gehen wir«, sagte er, und dann gingen sie den langgezogenen Hang hinab zu der Ebene, die sich dahinter erstreckte.
16
Jake ging langsam die Castle Avenue entlang – vorbei an Pizzerien und Bars und Lebensmittelläden, wo alte Frauen mit argwöhnischen Gesichtern in den Kartoffeln kramten und die Tomaten drückten. Die Gurte des Ranzens hatten ihm die Haut unter den Armen aufgescheuert, und die Füße taten ihm weh. Er ging unter einem Digitalthermometer vorbei, das verkündete, daß die Lufttemperatur dreißig Grad betrug. Jake hatte den Eindruck, als wären es eher vierzig.
Vor ihm bog ein Polizeiauto in die Straße ein. Jake interessierte sich sofort über die Maßen für Gartengeräte im Schaufenster einer Eisenwarenhandlung. Er sah das Spiegelbild des schwarzweißen Autos in der Scheibe und bewegte sich erst wieder, als es fort war.
He, Jake, alter Junge – wo genau möchtest du eigentlich hin?
Er hatte nicht die geringste Ahnung. Er war sicher, daß der Junge, nach dem er suchte – der Junge mit dem grünen Stirnband und dem gelben T-Shirt mit der Aufschrift KEIN MOMENT LANGEWEILE IN MITTWELT –, irgendwo in der Nähe war; na und? Für Jake war er nicht mehr als eine Nadel im Heuhaufen Brooklyn.
Er kam
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