Der Dunkle Turm 3 - Tot
Ich werde mich vor dieser Tür hinlegen. Ich werde sofort einschlafen, und wenn es mich packt und ins Maul schiebt, werde ich nicht einmal aufwachen.
Dann grunzte das Ding, das aus der Wand kam, und als Jake aufsah, verschwand sein Wunsch, alles aufzugeben, mit einem einzigen Anflug von Grauen. Inzwischen hatte es sich ganz aus der Wand befreit, ein riesiger Mörtelkopf mit einem Holzauge und einer greifenden Hand. Lattensplitter standen wahllos von dem Kopf ab, als hätte ein Kind Haare gemalt. Als er Jake sah, machte er den Mund auf und entblößte unebenmäßige Holzzähne. Er grunzte erneut. Mörtelstaub quoll aus dem klaffenden Maul wie Zigarrenrauch.
Jake ließ sich auf die Knie fallen und sah in den Riß. Der Schlüssel war ein schwaches silbernes Glimmern in der Dunkelheit da unten, aber die Fuge war so schmal, daß er unmöglich mit den Fingern hineingreifen konnte. Er packte eines der Dielenbretter und zerrte mit aller Kraft daran. Die Nägel ächzten… aber sie hielten.
Ein klirrendes Krachen war zu hören. Er sah den Flur entlang und erblickte die Hand, größer als sein ganzer Körper, die den heruntergestürzten Lüster ergriff und beiseite warf. Die rostige Kette, die ihn einst gehalten hatte, schnellte wie eine Peitsche in die Höhe und sank mit einem lauten Klirren wieder herunter. Eine Lampe über Jake rasselte an einer rostigen Kette, staubiges Glas klirrte gegen uraltes Messing.
Der Kopf des Torwächters, der lediglich mit der einen buckligen Schulter und dem Arm verbunden war, glitt auf dem Boden weiter. Hinter ihm stürzten die Überreste der Mauer in einer Staubwolke ein. Einen Augenblick später formierten sich die Bruchstücke und wurden zum mißgestalteten, knochigen Rücken der Kreatur.
Der Türwächter erblickte Jake, der ihn ansah, und schien zu grinsen. Dabei bohrten sich Holzsplitter durch seine runzligen Wangen. Er schleppte sich weiter durch den staubigen Ballsaal und machte dabei den Mund auf und zu. Die große Hand tastete in den Ruinen, suchte nach Halt und riß einen Flügel der Schiebetür am Ende des Flurs aus der Schiene.
Jake schrie atemlos und zerrte erneut an dem Brett. Es rührte sich nicht, aber da ertönte die Stimme des Revolvermanns:
Der andere, Jake! Versuch es mit dem anderen!
Er ließ das Brett los, an dem er gezogen hatte, und packte das auf der anderen Seite der Fuge. Als er das tat, erklang eine zweite Stimme. Diese hörte er nicht mit dem Kopf, sondern mit den Ohren, und begriff, daß sie von der anderen Seite der Tür kam – der Tür, nach der er seit dem Tag gesucht hatte, als er nicht auf der Straße überfahren worden war.
»Beeil dich, Jake! Um Gottes willen, beeil dich!«
Als er an dem anderen Brett zog, löste sich dieses so mühelos, daß Jake fast nach hinten gekippt wäre.
33
Zwei Frauen standen unter der Tür des Secondhandladens auf der anderen Straßenseite gegenüber der Villa. Die ältere war die Besitzerin, die jüngere war ihre einzige Kundin. Als der Lärm brechender Balken und einstürzender Wände einsetzte, schlang jede, ohne es zu bemerken, die Arme um die Hüften der anderen; so blieben sie stehen, zitternd wie Kinder, die ein Geräusch in der Dunkelheit hören.
Ein Stück weiter oben an der Straße starrten drei Jungs auf dem Weg zum Spielfeld der Jugendliga die Villa mit offenen Mündern an; den Red-Ball-Flyer-Wagen mit der Baseballausrüstung hinter sich hatten sie vergessen. Ein Lieferant parkte seinen Laster am Straßenrand und stieg staunend aus. Die Besitzer von Henry’s Corner Market und dem Dutch Hill Pub kamen auf die Straße gestürzt und sahen sich panisch um.
Jetzt fing der Boden an zu beben, und ein Netz feiner Risse schien sich über die Rhinehold Street zu ziehen.
»Ist es ein Erdbeben?« rief der Lieferant den beiden Frauen vor dem Secondhandladen zu, aber statt auf eine Antwort zu warten, sprang er wieder in den Wagen, fuhr rasch weiter und scherte sogar auf die Gegenfahrbahn aus, damit er der Villa nicht zu nahe kam, die das Epizentrum des Bebens zu sein schien.
Das ganze Haus wölbte sich nach innen. Bretter splitterten, schnellten von der Fassade weg und fielen in den Garten. Schmutzige, grauschwarze Wasserfälle von Schindeln regneten von den Erkern herab. Ein ohrenbetäubendes Krachen ertönte, dann bildete sich ein zickzack-förmiger Riß durch die gesamte Mitte der Villa. Die Tür verschwand darin, und dann wurde das ganze Haus von außen nach innen verschluckt.
Die jüngere Frau
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