Der Dunkle Turm 3 - Tot
diese Tür waren zwei Worte geschrieben – möglicherweise geschnitzt:
DER JUNGE
Unter diesem Türknauf befanden sich eine filigrane Silberplatte und ein Schlüsselloch.
Ich habe sie gefunden, dachte Jake jauchzend. Ich habe sie endlich gefunden! Das ist sie! Das ist die Tür!
Hinter ihm begann ein leises Fauchen, als würde sich das Haus selbst in Stücke reißen. Jake drehte sich um und sah durch den Ballsaal zurück. Die Wand an der gegenüberliegenden Seite wölbte sich nach außen und schob die alte schimmlige Couch fort. Die alte Tapete bebte; die Elfen fingen an zu wogen und zu tanzen. An manchen Stellen rollte sich die Tapete einfach nach oben wie eine Jalousie, die man zu schnell losgelassen hat. Der Verputz bauschte sich zu einer schwangeren Wölbung. Darunter konnte Jake trockenes Knacken hören, als das Lattenwerk brach und sich zu einer neuen, bis jetzt noch unbekannten Form arrangierte. Und das Geräusch wurde immer noch lauter. Aber jetzt war es kein Fauchen mehr; jetzt hörte es sich an wie ein Knurren.
Der Verputz brach nicht und prasselte dann in Trümmern herunter; er schien zu Plastik geworden zu sein, und während sich die Wand weiter aufblähte und eine Art weißer Kugel bildete, von der immer noch Schnipsel und Fetzen der Tapete baumelten, modellierte sich die Oberfläche zu Hügeln und Tälern und Kurven. Plötzlich wurde Jake klar, daß er ein riesiges Plastikgesicht vor sich sah, das sich aus der Wand drängte. Es war, als sähe man jemanden, der Kopf voraus in ein nasses Handtuch gelaufen war.
Ein lautes Knacken war zu hören, als ein Stück Latte aus der gewölbten Wand brach. Diese wurde zur unregelmäßigen Pupille eines Auges. Darunter verwandelte sich die Wand in einen höhnischen Mund mit schiefen Zähnen. Jake konnte sehen, daß Fetzen der Tapete an Lippen und Zahnfleisch klebten.
Eine Mörtelhand löste sich von der Wand und zog ein loses Armband alter Stromkabel hinter sich her. Sie packte das Sofa, warf es beiseite und hinterließ geisterhaft blasse Abdrücke auf dem dunklen Polster. Als sie die Mörtelfinger spreizte, brachen weitere Latten. Diese bildeten scharfe rissige Krallen. Inzwischen hatte sich das Gesicht ganz aus der Wand gelöst und starrte Jake mit einem Holzauge an. Über dem tanzte mitten auf der Stirn noch eine Elfe der Tapete. Sie sah wie eine unheimliche Tätowierung aus. Das Ding glitt mit einem schlurfenden Geräusch nach vorne. Die Tür zum Flur brach aus der Wand und bildete eine bucklige Schulter. Die eine Hand des Dings krallte über den Boden und verspritzte Glastropfen von dem heruntergestürzten Lüster.
Jake schüttelte seine Lähmung ab. Er drehte sich um, warf sich durch die Schiebetür und stürmte mit hüpfendem Ranzen den zweiten Flur entlang, während er mit der rechten Hand in der Hosentasche nach dem Schlüssel tastete. Sein Herz war eine amoklaufende Fabrikmaschine. Hinter ihm brüllte das Ding, das aus dem Mauerwerk der Villa kroch, und obwohl es keine Worte herausbrachte, wußte Jake, was es sagte; es sagte ihm, er solle stehenbleiben, es wäre vergeblich, einfach wegzulaufen, sagte ihm, daß es kein Entkommen gab. Jetzt schien das ganze Haus am Leben zu sein; das Splittern von Holz und Bersten von Balken erfüllten die Luft.
Jake schloß die Hand um den Schlüssel. Als er ihn herauszog, verfing sich einer der Zähne in der Tasche. Jakes schweißnasse Finger rutschten ab. Der Schlüssel fiel auf den Boden, prallte einmal ab, fiel in einen Spalt zwischen zwei verzogenen Brettern und verschwand.
30
»Er hat Schwierigkeiten!« hörte Susannah Eddie rufen, aber seine Stimme klang fern. Sie hatte selbst genügend Probleme… aber sie fand, daß sie sich dennoch ganz gut schlug.
Ich werd’ den Eiszapfen schmelzen. Süßer, hatte sie dem Dämon gesagt. Und wenn er wech is’, was machstn dann?
Sie hatte ihn nicht gerade geschmolzen, aber sie hatte ihn verändert. Das Ding in ihr bereitete ihr ganz bestimmt keine Lust, aber wenigstens hatten die schrecklichen Schmerzen nachgelassen, und es war nicht mehr kalt. Es war gefangen und konnte sich nicht befreien. Und sie hielt es nicht nur mit ihrem Körper fest. Roland hatte gesagt, Sex wäre seine Schwäche und seine Waffe, und Roland hatte wie üblich recht gehabt. Es hatte sie genommen, aber sie hatte auch es genommen, und jetzt war es, als hätten sie beide einen Finger in einer dieser teuflischen chinesischen Schlingen, in die man sich durch Ziehen nur noch fester
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