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Der Dunkle Turm 3 - Tot

Titel: Der Dunkle Turm 3 - Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: King Stephen
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und holte sich einen bitterbösen Blick von der Liebe seines Lebens. Derweil setzten die Albinos ihre Geschichte fort und spielten sich den Ball mit der unbewußten Übereinstimmung zu, die es wahrscheinlich nur unter Zwillingen geben kann, die ihr ganzes Leben miteinander verbracht haben.
    Vor vier oder fünf Generationen, sagten sie, war die Stadt noch dicht bewohnt und einigermaßen zivilisiert gewesen, obschon die Einwohner mit Gespannen und Ochsenkarren auf den breiten Boulevards fuhren, die die Großen Alten für ihre legendären pferdelosen Fahrzeuge erbaut hatten. Die Stadtbewohner waren Mechaniker und ›Handwirker‹, wie die Zwillinge sich ausdrückten, und der Handel auf und über dem Fluß hatte geblüht.
    »Darüber?« fragte Roland.
    »Die Brücke über den Send steht noch«, sagte Tante Talitha. »Jedenfalls vor zwanzig Jahren.«
    »Ay, der alte Bill Muffin und sein Junge haben sie gesehen, das ist noch keine zwanzig Jahre her«, stimmte Si zu und leistete damit seinen ersten Beitrag zu der Unterhaltung.
    »Was für eine Brücke?« fragte der Revolvermann.
    »Ein großes Ding aus Stahl und Kabeln«, sagte einer der Zwillinge. »Sie ragt in den Himmel wie das Netz einer großen Spinne.« Er fügte schüchtern hinzu: »Ich würde sie gern noch einmal wiedersehen, bevor ich sterbe.«
    »Wahrscheinlich inzwischen eingestürzt«, sagte Tante Talitha geringschätzig, »und recht so. Teufelswerk.« Sie wandte sich an die Zwillinge. »Erzählt ihnen, was sich seither zugetragen und weshalb die Stadt heute so gefährlich ist – das heißt, abgesehen von irgendwelchem Spuk, der dort hausen mag, und ich schätze, im Überfluß gibt es den dort. Die Leute möchten weiterziehen, und die Sonne steht schon im Westen.«
     
     
    10
     
    Der Rest der Schilderung war eine weitere Version einer Geschichte, die Roland von Gilead schon viele Male gehört und in einem gewissen Maß auch selbst erlebt hatte. Sie war bruchstückhaft und unvollständig und zweifellos mit Mythen und Fehlinformationen gespickt. Ihr linearer Verlauf war von den seltsamen Veränderungen – zeitlich und richtungsmäßig – verzerrt, die heute in der Welt stattfanden, und man konnte sie in einem umfassenden Satz zusammenfassen: Es war einmal eine Welt, die wir gekannt haben, aber diese Welt hat sich weitergedreht.
    Diese alten Leute von River Crossing wußten ebensowenig von Gilead, wie Roland von der Flußbaronie wußte, und der Name John Farson, der Untergang und Anarchie über Rolands Land gebracht hatte, sagte ihnen nichts; aber alle Geschichten vom Verschwinden der alten Welt waren ähnlich… zu ähnlich, dachte Roland, als daß dies ein Zufall sein könnte.
    Ein großer Bürgerkrieg war vor drei- oder vierhundert Jahren in Garlan, möglicherweise auch in einem ferneren Land namens Porla, ausgebrochen. Dessen Wellen hatten sich langsam ausgebreitet und Chaos und Anarchie vor sich her geschoben. Wenige Königreiche, wenn überhaupt, hatten sich gegen diese langsame Flutwelle behaupten können, und die Anarchie hatte sich so sicher über diesen Teil der Welt gesenkt, wie die Nacht dem Sonnenuntergang folgt. Ganze Armeen waren unterwegs gewesen, manchmal auf dem Vormarsch, manchmal auf dem Rückzug, aber stets verwirrt und ohne langfristige Ziele. Im Lauf der Zeit zerfielen sie in kleinere Gruppen, diese wiederum verkamen zu herumziehenden Banden und Waldläufern. Der Handel wurde spärlicher und versiegte schließlich völlig. Das Reisen, das unbequem gewesen war, wurde nun gefährlich. Zuletzt wurde es fast völlig unmöglich. Die Kommunikation mit der Stadt wurde zunehmend spärlicher und war vor rund hundertzwanzig Jahren ganz zum Erliegen gekommen.
    So wie hundert andere Dörfer auch, durch die Roland geritten war – zuerst mit Cuthbert und den anderen Revolvermännern, die man aus Gilead vertrieben hatte, dann allein auf der Jagd nach dem Mann in Schwarz –, war River Crossing vom Rest der Welt abgeschnitten worden und mußte auf seine eigenen Ressourcen zurückgreifen.
    An dieser Stelle raffte sich Si auf, dessen Stimme die Reisenden sofort in ihren Bann schlug. Er sprach im heiseren, gemessenen Tonfall eines Mannes, der sein Leben lang Geschichten erzählt hatte – einer der begnadeten Narren, die dazu geboren waren, Erinnerung und Fantasie zu Träumen zu weben, die so wunderbar filigran waren wie ein Spinnennetz voll Tautropfen.
    »Wir haben das letztemal zur Zeit meines Großda’ Tribut zum Schloß der Baronie geschickt«, sagte

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