Der Dunkle Turm 3 - Tot
besonders hoch geschätzt: Geschichten behaupteten, daß jeder große Park in Lud in einen Gemüsegarten umgewandelt wurde. Da sie vom Umland abgeschnitten waren, mußten sie entweder Nahrungsmittel in der Stadt anbauen oder zwischen den Glastürmen und Metallpfaden verhungern. Die Großen Alten waren fort, ihre Maschinen ein Geheimnis, und die übriggebliebenen stummen Wunder waren nicht eßbar.
Nach und nach veränderte sich der Charakter des Krieges. Das Machtgleichgewicht verlagerte sich zugunsten der belagernden Grauen – so genannt, weil sie im Durchschnitt viel älter als die Stadtbewohner waren. Letztere wurden selbstverständlich auch älter. Sie wurden immer noch Pubes genannt, obwohl sie die Pubertät in den meisten Fällen längst hinter sich hatten. Und sie vergaßen schließlich, wie die alten Waffen funktionierten, oder verbrauchten sie.
»Wahrscheinlich beides«, grunzte Roland.
Vor neunzig Jahren – also schon zu Lebzeiten von Si und Tante Talitha – war eine letzte Bande von Gesetzlosen gekommen; so groß, daß die Vorhut bei Dämmerung durch River Crossing ritt und die Nachhut erst nach Sonnenuntergang passierte. Es war die letzte Armee, die dieser Teil der Welt jemals gesehen hatte, und sie wurde von einem Krieger und Prinzen namens David Quick angeführt – demselben, der angeblich später vom Himmel in den Tod stürzte. Er hatte die verstreuten Überreste der Banden von Gesetzlosen organisiert, die sich noch um die Stadt herumtrieben, und jeden getötet, der seinen Plänen Widerstand entgegensetzte. Quicks Armee der Grauen benützte weder Boote noch die Brücke selbst, um in die Stadt einzudringen; statt dessen bauten sie zwölf Meilen unterhalb eine schwimmende Brücke und griffen die Flanke an.
»Seither lodert der Krieg wie ein Kaminfeuer«, führte Tante Talitha zu Ende. »Wir hören ab und zu Berichte von jemandem, dem die Flucht gelungen ist, ay, so ist es. Diese treffen mittlerweile ein wenig öfter ein, denn die Brücke, sagen sie, ist ungeschützt, und ich glaube, das Feuer ist beinahe erloschen. Innerhalb der Stadt kämpfen die Grauen und Pubes um die letzten Vorräte, doch könnte ich mir denken, die Nachkommen der Waldläufer, die Quick über die schwimmende Brücke gefolgt sind, sind heute die wahren Pubes, obwohl sie immer noch Graue genannt werden. Die Nachfahren der ursprünglichen Stadtbewohner müssen inzwischen fast so alt sein wie wir, doch müssen noch einige Jüngere unter ihnen hausen, die von den alten Geschichten und der Verlockung des Wissens, das noch dort existieren mag, angezogen werden.
Diese beiden Seiten halten die alte Feindschaft immer noch aufrecht, Revolvermann, und beide werden nach dem jungen Mann lechzen, den Ihr Eddie nennt. Wenn die dunkelhäutige Frau fruchtbar ist, werden sie sie nicht töten, obwohl ihre Beine zu kurz sind; sie würden sie behalten, um Kinder zu gebären, denn Kinder sind heute selten, und obwohl die alten Krankheiten im Abklingen sind, werden viele doch noch entstellt geboren.«
Darauf regte sich Susannah, als wollte sie etwas sagen, aber dann trank sie doch nur den Rest Kaffee und nahm wieder ihre vorherige lauschende Haltung ein.
»Aber wenn sie nach dem jungen Mann und der Frau lechzen, Revolvermann, auf den Knaben werden sie versessen sein.«
Jake bückte sich und streichelte wieder Oys Fell. Roland sah sein Gesicht und wußte, was er dachte: wieder die Reise unter den Bergen; eine neue Version der Langsamen Mutanten.
»Euch würden sie ohne Zögern töten«, sagte Tante Talitha, »denn Ihr seid ein Revolvermann, ein Mann außerhalb seiner Zeit und seines Orts, weder Fisch noch Fleisch, für keine Seite von Nutzen. Aber einen Jungen kann man nehmen, benützen, ihn lehren, sich an bestimmte Dinge zu erinnern und alle anderen zu vergessen. Sie haben schon vergessen, worum sie in erster Linie überhaupt gekämpft haben; die Welt hat sich seither weitergedreht. Jetzt kämpfen sie einfach beim Klang dieser gräßlichen Trommeln, einige noch jung, die meisten jedoch alt genug für den Schaukelstuhl, wie wir hier, allesamt aber dumme Toren, die nur leben, um zu töten, und töten, um zu leben.« Sie machte eine Pause. »Nachdem Ihr uns alte Tottier nun angehört habt, seid Ihr sicher, es wäre nicht doch das Beste, einen Umweg zu machen und sie ihren Belangen zu überlassen?«
Bevor Roland antworten konnte, sprach Jake mit klarer, fester Stimme. »Erzählen Sie uns, was Sie über Blaine, den Mono, wissen«, sagte er.
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